Unlautere Praktiken werden verstärkt verfolgt
„Abnehmer, insbesondere im
Bereich des Lebensmitteleinzelhandels,
bauen Druck auf Lieferanten
von Agrar- und Lebensmittelprodukten
auf“, so lautet
eines der wesentlichen Ergebnisse
des Jahresberichts der Bundeswettbewerbsbehörde
(BWB),
der diese Woche präsentiert
wurde. Für 71,6 Prozent der Lieferanten
ist der Lebensmitteleinzelhandel
(LEH) der wichtigste
Absatzkanal. Entsprechend groß
ist damit auch die Abhängigkeit
der Lieferanten gegenüber ihren
Abnehmern – vier Fünftel aller
Lieferanten sind einer spürbar
negativen Auswirkung ausgesetzt.
Die vier am häufigsten
genannten unlauteren Praktiken
sind dabei: Zahlungsverzug
von mehr als 30 Tagen bei
verderblichen Produkten (18
Prozent), einseitige Änderung
von Liefervereinbarungen (14,3
Prozent), Verlangen einer Zahlung
für nicht vom Lieferanten
verschuldeten Verlust oder Qualitätsminderung
(13,6 Prozent)
und Verlangen einer Zahlung,
die nicht im Zusammenhang
mit dem Verkauf von Agrar- und
Lebensmittelprodukten steht
(13,4 Prozent).
Angstfaktor spiel große Rolle
Die Lieferanten stimmen diesen Praktiken aus unterschiedlichen Gründen zu. Eine große Rolle spielt dabei der Druck, der vonseiten
der Konzerne ausgeübt
wird, so die Bundeswettbewerbsbehörde.
Lieferanten und Produzenten
befürchten in Folge
einer Nichtzustimmung schwerwiegende,
wirtschaftliche Konsequenzen.
Die Auswertung der
Befragung der Lieferanten lässt
außerdem darauf schließen, dass unlautere Handelspraktiken auf dem österreichischen Markt in nicht unerheblichem Maße verbreitet sind. Das bestätigt auch der letzte Tätigkeitsbericht des Fairness-Büros: Vier von zehn Lieferanten waren bereits mit unfairen Handelspraktiken durch die Top vier der LEH-Ketten konfrontiert, einem Drittel wurde sogar schon mit Auslistung gedroht. Die BWB geht davon aus, dass die Dunkelziffer solcher Praktiken um ein Vielfaches höher ist. Allerdings werden viele Beschwerden durch betroffene Lieferanten aus Angst vor Konsequenzen erst gar nicht übermittelt. „Das zeigt, wie ungleich die Macht verteilt ist und wie diese Situation vom Handel ausgenutzt wird. Es ist wichtig, dass mit dem Fairness-Büro eine Anlaufstelle für betroffene Produzentinnen und Produzenten geschaffen wurde. Je mehr Fälle gemeldet werden, umso eher kann ein Gegengewicht zu den Konzernen entstehen. Daher fordere ich alle von unfairen Geschäftspraktiken Betroffenen auf, ihre Erfahrungen dem Fairness-Büro zu melden“, appelliert LK-Präsident Josef Hechenberger.
Kampf mit ungleichen Waffen
Die BWB und das Fairnessbüro
werden künftig einen verstärkten
Schwerpunkt auf die Verfolgung
von unlauteren Handelspraktiken
legen, wie auch
Landwirtschaftsminister Norbert
Totschnig erklärt: „Entlang
der Lebensmittelkette herrscht
ein Kampf mit ungleichen Waffen.
Mehr als 110.000 Bäuerinnen
und Bauern und eine
Vielzahl von Lieferanten stehen
großen Handelskonzernen
gegenüber. Die Lieferanten sind nicht nur mit harten Preisverhandlungen konfrontiert, sondern auch mit drohenden Auslistungen und aufgezwungenen Vertragsbedingungen. Solche unfairen Geschäftspraktiken verurteile ich aufs Schärfste.“ Basierend auf den Ergebnissen des Jahresberichts empfiehlt die BWB folgende Maßnahmen:
- von Amts wegen einzuleitende Branchenuntersuchungen
- Verankerung eines Schriftlichkeitsgebots für Verträge im Anwendungsbereich des FWBG
- Gleichsetzung der Praktiken im Anhang II mit jenen des Anhang I, da erstere nur dann verboten sind, wenn sie zuvor nicht klar und eindeutig in Liefer- oder Folgevereinbarungen vereinbart worden sind
- regelmäßiger Austausch mit anderen Durchsetzungsbehörden und Institutionen
Der Jahresbericht kann hier nachgelesen werden.
Fairness-Büro
Zum Schutz von unfairen Handelspraktiken wurde im Frühjahr 2022
das österreichische Fairnessbüro eingerichtet, das eng mit der BWB
zusammenarbeitet. Alle Personen, die der Ansicht sind, in ihren Geschäftsbeziehungen im Zusammenhang mit Verkäufen von Agrar- und
Lebensmittelerzeugnissen mit unlauteren Praktiken konfrontiert
zu sein, können sich an das Fairness-Büro wenden.
Das heißt: jede Bäuerin und jeder Bauer, alle landwirtschaftlichen
Erzeugerinnen und Erzeuger sowie jede natürliche oder juristische
Person, die Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse verkauft, aber auch
Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger, wie zum Beispiel Erzeugerorganisationen.
Kontakt: kostenlos und anonym
Telefon: 01 / 928 1654
E-Mail: beschwerde@fairness-buero.gv.at
Kontakt: kostenlos und anonym
Telefon: 01 / 928 1654
E-Mail: beschwerde@fairness-buero.gv.at