Ungleiche Verhältnisse
Seit drei Jahren bietet das Fairness-Büro Bäuerinnen und Bauern sowie Lebensmittelproduzenten anonyme und kostenlose Hilfe, wenn sie von unfairen Handelspraktiken betroffen sind. Über ein Onlineformular kann unkompliziert Kontakt aufgenommen werden, alle Anliegen werden nach dem Grundsatz absoluter Vertraulichkeit behandelt. Der nun veröffentlichte Fairness-Büro-Bericht zeigt deutlich ein nach wie vor starkes Ungleichgewicht in der Lebensmittelkette. 2024 ist die Zahl der Beschwerden noch weiter gestiegen: Mehr als 800 unmittelbare und mittelbare Beschwerden wurden verzeichnet. Der kürzlich veröffentlichte Bericht dient nicht nur der Statistik, sondern soll auch dazu beitragen, die Öffentlichkeit über „Branchenüblichkeiten“ zu informieren und Betroffenen Mut zu machen, sich mit ihren Fällen an das Fairnessbüro zu wenden. Durch die Beratung und Unterstützung können Lieferanten in Verhandlungen wiederum selbstbewusster auftreten, da sie über Rechte informiert sind.
Marktkonzentration schafft ungleiche Verhältnisse
In Österreich beherrschen die drei größten Handelsketten rund 90 Prozent des Lebensmittelmarktes. „Diese hohe Marktkonzentration führt zu harten Preisverhandlungen, drohenden Auslistungen und einseitigen Vertragsänderungen. Mehr als 100.000 bäuerliche Betriebe und Verarbeiter stehen einer Handvoll Handelsriesen gegenüber – das ist ein Kampf mit ungleichen Waffen“, so Bundesminister Norbert Totschnig. Ein Thema, das auch auf EU-Ebene behandelt wird. Der neue EU-Agrarkommissar Christophe Hansen hat in seiner Vision für Landwirtschaft und Ernährung die Notwendigkeit fairer Einkommen für Bäuerinnen und Bauern unterstrichen und Maßnahmen gegen unfaire Handels-
praktiken angekündigt. Bis Ende 2025 soll die EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken (UTP) einer umfassenden Evaluierung unterzogen werden – das Fairness-Büro liefert dazu konkrete Beispiele aus der Praxis.
Zentrale Ergebnisse
Im Bericht für das Jahr 2024 werden unter anderem unangemessen niedrige Einkaufspreise erwähnt. So gibt es Produkte, bei denen der LEH für die gleiche Qualität prozentuell weniger bezahlt als noch in der Vergangenheit. Bei einem dafür beispielhaften Wurstprodukt wurde gleichzeitig jedoch der Regalpreis um mehr als 30 Prozent erhöht. Generell sind laut Fairnessbüro die Margenaufschläge im Handel deutlich gestiegen. Zusätzlich bringt der stetige Zuwachs des Eigenmarken-Anteils heimische Betriebe unter Druck. Im 2024er-Bericht wird ein Schwerpunkt auf die fleisch- und wurstproduzierenden Familienbetriebe gelegt. Auch für diese wird die No-Name-Konkurrenz zum Problem, da ihre Produkte rasch ausgetauscht und durch günstigere, im Ausland hergestellte, Waren ersetzt werden können.
Österreich-Aufschlag
Das Fairnessbüro berichtet auch über den sogenannten „Österreich-Aufschlag“: Österreichische Händler sind im Vergleich zu Händlern aus Deutschland durchschnittlich um 15 bis 20 Prozent teurer. Dabei bezieht sich das Büro auf Untersuchungen des VKI, der diese Preisdiskrepanz mit der hohen Marktkonzentration begründet. Auch die höchste Anzahl an Filialstandorten pro 100.000 Einwohnern in der ganzen Europäischen Union trägt zu den Preisen bei – Österreich liegt bei 60 Geschäften, der EU-Schnitt bei 33!
Die Anzahl der unmittelbaren Beschwerden beträgt 2024 in Summe 239, die Anzahl der mittelbar Betroffenen liegt bei weit über 600. Zusätzlich zu den Beschwerden, die jeweils einen Tatbestand des Faire-Wettbewerbsbedingungen Gesetzes erfüllen, werden allgemeine Anfragen differenziert. Im Vorjahr sind 225 allgemeine Anfragen beantwortet worden – diese sind für über 10.000 mittelbar Betroffene relevant. Mediationen wurden für sieben unmittelbar Betroffene vorgenommen. Die Anzahl an Betroffenen, für die mittelbare Mediationen ausgeführt wurden, beläuft sich auf über 1.050.
Betroffene Branchen und Wertschöpfungsstufen sind die Produktion, aber auch Zwischenhändler. Eine Vielzahl Betroffener gibt es bei den sogenannten Dritt-Dienstleistungen. Die Produktgruppen verteilen sich auf Fleischprodukte, Eier, Milch, alkoholische Getränke, Obst und Gemüse.
Der gesamte Bericht steht auf www.fairness-buero.gv.at zur Verfügung.
Das Fairness-Büro im Überblick
- Gegründet am 1. März 2022 als unabhängige und weisungsfreie Stelle im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft.
- Anonyme und kostenlose Beratung für alle, die beim Verkauf von Agrar- oder Lebensmittelerzeugnissen von größeren Käufern unter Druck gesetzt werden und denen verbotene oder unlautere Handelspraktiken widerfahren.
- Analyse von Beschwerdefällen, rechtliche Einschätzung und Unterstützung zur einvernehmlichen Lösung mit dem Käufer.