Online-Wintertag Bergwirtschaft
„Regionalität wird sehr positiv assoziiert, beispielsweise mit Bergen, Natürlichkeit, Frische und Ressourcenschonung. Diese Assoziierungen gilt es, in der Vermarktung bewusst zu nutzen“, betonte Günther Botschen vom Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus an der Universität Innsbruck zu Beginn des Fachtages Berg & Wirtschaft im Rahmen des ökosozialen Forums in Wien. Unterschiedliche Expert/innen referierten vom 27. Jänner bis 3. Februar zu verschiedenen Zukunftsthemen in der Landwirtschaft. Zuerst müsse man die Konsument/innen berühren, dann bewegen, dann transformieren, sodass eine Beziehung zum Produzenten entstehe. Schlussendlich erfolge die Bindung.
Ins Tun kommen
Leopold Kirner, Professor an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien, ging in seinem Beitrag darauf ein, wo die Bergbauernbetriebe im Vergleich zu Nicht-Bergbauernbetrieben stehen: weniger Einkommen je größer die Erschwernis und kleinere Strukturen mit weniger Wachstumsmöglichkeit. Welche Alternativen gibt es, beziehungsweise welche Chancen tun sich aufgrund dieser Voraussetzungen auf? Wachstum in der Urproduktion sei nur begrenzt möglich, daher müssten Betriebe auf Erwerbskombinationen, beispielsweise durch Urlaub am Bauernhof, aber vor allem auf Wertschöpfung durch Differenzierung und Nischenbesetzung setzen – eben auf Qualität statt Quantität. Das will auch die Mehrheit der Landwirt/innen laut aktuellen Studien. Auch die Gemeinsame Agrarpolitik der EU trägt dieser Entwicklung Rechnung durch beispielsweise einer Umverteilungsprämie, höhere Sätze für gealpte Tiere, umfangreiche Kombinationsmöglichkeiten wie Wildkräuterflächen, Brutflächen, Weidehaltung, Tierwohl oder Förderung der Junglandwirt/innen. Professor Kirner erläuterte auch, wo der Trend bei Lebensmitteln hingeht: Eine steigende Nachfrage gebe es bei Obst, Gemüse, pflanzlichen Öle, Geflügelfleisch, Eier, Käse und Fisch. Hier treffe eine immer höhere Nachfrage auf einen geringen Selbstversorgungsgrad. Auch für die Berglandwirtschaft würden sich dadurch Chancen ergeben. Generell müssten sich Bergbauernbetriebe auch die wirtschaftliche Frage stellen, wie intensiv sie ihre Landwirtschaft betreiben möchten. Untersuchungen würden zeigen, dass Hochleistungsbetriebe im Vergleich zu Low-Input-Betrieben fast gleichauf liegen – die Hochleistungsstrategie sei in der Berglandwirtschaft jedoch vielfach schwierig umzusetzen. Wertschöpfung erziele man nicht primär durch Intensivierung der Urproduktion, sondern vor allem durch Direktvermarktung. Bei der Direktvermarktung bleibe den Betrieben pro Stunde das Doppelte als in der Urproduktion: 14,1 Euro versus 7,3 Euro.
Kooperation mit der Gastronomie
„Unsere Lebensmittel können mehr“, Philipp Stohner, Präsident des Tiroler Kochverbandes, eröffnete mit diesen Worten seinen Beitrag über die Kooperation von Landwirtschaft und Gastronomie aus der Sicht der Wirte. Diese seien gefordert, sich ins Gedächtnis zu rufen, welch hochwertige Produkte es bei uns gäbe. Verstärkt sollten Gastronomen nach der Saison servieren, statt „alles und immer“. Andererseits müssten Produzenten ein Angebot schaffen, dass für die Gastronomie Sinn mache. Für beide Seiten gelte, auf Qualität zu setzen und Preise durchzusetzen: „Viele Betriebe kommunizieren zu wenig, was sie für tolle Produkte produzieren. Es braucht Storytelling.“ Für die gemeinsame Kooperation brauche es zudem die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Man müsse in erster Linie das anbieten, was in großen Mengen vorhanden ist, Plattformen schaffen, auf denen sich Gastronomie und Landwirtschaft finden, es brauche gegenseitiges Verständnis für das Handwerk, ein zentrales Bestellsystem für die Gastronomie, Ehrlichkeit gegenüber heimischen Produkten, eine gemeinsame faire Preisverhandlung, Qualität vor Quantität und Offenheit gegenüber Innovationen. Viele Ideen, mit denen sich auch Anita Siller vom Untersillerhof anfreunden kann. Sie hat mit ihren Tiroler Wachteln eine Nische besetzt und sehr gute Erfahrungen in der Kooperation mit der Gastronomie gemacht: „Bauern verlangt einen ehrlichen und stolzen Preis für eure Produkte und setzt euch mit den Wirten zusammen und erklärt ihnen, wie sich dieser errechnet“, appelliert sie. Vor ein Produkt hergestellt wird, sollte man sich fragen, was der eigene Betrieb kann und was vielleicht schon früher einmal am Hof einmal produziert wurde.