Ökologisch in die Zukunft
„Die Tiroler Landwirtschaft ist schon jetzt auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise bedacht – über 90 Prozent der Betriebe beteiligen sich bereits am Österreichischen Umweltprogramm ÖPUL. In der neuen GAP-Periode stehen den Höfe teilweise neue Maßnahmen zur Verfügung. Wir wollen mit einer optimalen Beratung sicherstellen, dass jeder Betrieb alle sich ihm bietenden Optionen kennt und so die höchstmögliche Unterstützung aus den Förderprogrammen abholen kann“, bringt LK-Präsident Josef Hechenberger die Gründe für die Wahl des Jahresmottos auf den Punkt. Allein im ersten Halbjahr 2022 wurden bereits mehr als 600 Beratungsstunden zu den neuen Rahmenbedingungen geleistet. „Unser Ziel ist es, die Betriebe gut auf neue Herausforderungen, wie etwa Auswirkungen durch den Klimawandel, vorzubereiten“, betont der Kammerpräsident.
Chancen nutzen
Dass es die Landwirtschaft beherrscht, sich auf ändernde Rahmenbedingungen einzustellen und diese auch als Chance zu sehen, beweisen die teilweise breit aufgestellten Tiroler Betriebe: „Über die letzten Jahrzehnte hat sich gezeigt, dass ein guter Weg, um einen Hof weiterzuentwickeln, die Diversifizierung ist. Sei es Urlaub am Bauernhof oder die Direktvermarktung – mehrere Standbeine bieten gerade in Krisenzeiten Sicherheit“, unterstreicht LK-Vizepräsidentin Helga Brunschmid. Als Landesbäuerin ist ihr die Rolle der Frauen auf den Höfen ein besonderes Anliegen: „Wir haben viele gut ausgebildete Bäuerinnen auf unseren Betrieben, die aus vielfältigen Branchen kommen. Diese Berufsausbildung mit der Situation am Hof zu kombinieren und neue Angebote zu schaffen, wie etwa im Sozialbereich, ist eine Vision, die ich für die Zukunft habe. Daher loten wir Möglichkeiten aus, wie der Lebensraum Bauernhof auch als Arbeitsplatz neu gedacht wird.“ In diesem Zusammenhang macht Bezirksbäuerin Karoline Schapfl auf das vielfältige Programm im Rahmen des 60. Jubiläums der Bäuerinnen aufmerksam: „Wir haben unser Jubiläum unter das Motto ‚Bäuerinnen für ein gutes Klima‘ gestellt. Dabei geht es uns nicht nur darum, Projekte zum Klimaschutz hervorzuheben, sondern auch einen Beitrag für ein gutes soziales Klima zu leisten. Wer uns dabei unterstützen möchte, kann gerne an unseren Etappen im ganzen Land teilnehmen und sich an unsere Spendenaktion für die Organisation ‚Frauen helfen Frauen‘ beteiligen.“
Unterwegs in Innsbruck-Land
Ein Betrieb, der ganz im Zeichen von Nachhaltigkeit wirtschaftet, ist der Leach-Hof in Kolsassberg, wo der Auftakt der diesjährigen Bezirksrunden der Kammerspitze stattfand. Dort betreibt Familie Leimböck einen Bio-Milchviehbetrieb mit 35 Milchkühen und 30 Jungtieren der Rasse Braunvieh. Im Jahr 2017 wurde der von der Bauberatung der Landwirtschaftskammer Tirol geplante Kompostlaufstall (siehe Titelbild) innerhalb weniger Monate fertiggestellt. „Tirolweit waren wir einer der ersten Betriebe mit dieser Form des Stallbaus. Die Umstellung von der Anbindehaltung zum Laufstall hat unsere Arbeit enorm erleichtert und uns dadurch auch mehr Lebensqualität gebracht“, betont Jungbauer Martin. Die Basis des Kompoststalls bildet das Einstreumaterial. Das feine Siebmaterial vom Waldhackgut ist humusähnlich und enthält wichtige Mikroorganismen für den Kompostierprozess. Je nach Bedarf wird zusätzlich Sägemehl eingestreut. Pro Milchkuh und Jahr rechnet Martin etwa mit zehn bis 15 Kubikmeter Einstreumenge. Das ist zwar nicht wenig, dafür bleiben die Kühe und deren Euter sauber und weisen keine haltungsbedingten Druckstellen oder Verletzungen auf. Damit aus der Einstreu zusammen mit den Ausscheidungen der Kühe wertvoller Kompost wird, wird diese zweimal täglich mit einer Bodefräse bearbeitet. Mit zehn Quadratmetern pro Kuh bietet die weiche, natürliche Kompostfläche ausreichend Platz und Komfort für die Tiere.
Viele fleißige Hände
„Bei uns helfen alle zusammen – nur so geht’s“, erklären Eva und Franz Leimböck und weisen auf das zusätzliche Standbein des Betriebs hin. Am Leach-Hof wird nämlich auch Urlaub am Bauernhof angeboten. Nachhaltigkeit ist auch Thema beim kommenden Projekt der Familie Leimböck: Als nächsten Schritt ist eine umfassende PV-Anlage am Dach der Tenne geplant.
Vom Pflanzen bis zur Lieferung
Der zweite Halt führte die LK-Delegation nach Fritzens, wo Julia und Simon Zimmermann einen reinen Obst- und Weinbaubetrieb führen. „Vom Pflanzen bis zur Lieferung übernehmen wir hier alles selbst“, unterstreicht Simon. Der Hof ist seit 1883 in Familienbesitz. Begonnen „Früchte zu tragen“ hat der Obstanbau dann vor etwa 50 Jahren, als der Großvater von der Viehwirtschaft auf Obstanbau umstellte. Heute bewirtschaften Julia und Simon Zimmermann eine Fläche von rund zehn Hektar, den Großteil macht die Apfelproduktion aus. Mehr als 25 verschiedene Apfelsorten zählen zum Sortiment, aber auch Birnen, Marillen, Kirschen, Zwetschken, Pfirsiche und Nektarinen werden angebaut. „Seit sechs Jahren produzieren wir auch unseren eigenen Wein“, betonen die beiden. Von Solaris bis hin zu Sauvignon Blanc, Souvignier Gris oder Riesling, finden sich unterschiedliche Sorten auf den Weingärten in Fritzens. Im Hofladen wird eine bunte Palette an Produkten angeboten. Neben einer Vielzahl von frischem Obst und mehr als 20 verschiedenen Edelbränden und der Weißweine, stehen auch Apfelsaft und -most sowie Essig zum Verkauf. Spezialitäten wie Cider und Apfelfrizzante sind ebenfalls erhältlich. Die klimatischen Veränderungen sind auch im Obst- und Weinbau zu spüren, wie Julia und Simon erklären: „Die Blüte findet mittlerweile etwa drei Wochen früher statt, als noch vor 50 Jahren. Heute blüht zudem fast alles zur selben Zeit – da muss man sich stets neu anpassen. Dazu fallen auch die Unwetter spürbar stärker aus.“ Der Betrieb schützt das Obst und den Wein vor allem mit Hagelnetzen: „Obwohl es mit viel Arbeitszeit und hohem maschinellen Aufwand verbunden ist, ist es ohne Hagelnetze und Frostberegnung fast nicht mehr möglich, wirtschaftlich Obstbau zu betreiben."
Vielfältiger Bezirk – vielfältige Herausforderungen
In Innsbruck Stadt und Land wird die ganze Bandbreite der Tiroler Landwirtschaft abgebildet.
„Verschiedene Produktionsarten und Betriebsgrößen bedeuten natürlich auch verschiedene Herausforderungen. Was alle betrifft, sind die aktuell hohen Kosten für Betriebsmittel, wie etwa Treibstoff. Auch Nutzungskonflikte unterschiedlicher Art gibt es leider nicht nur im direkten Umfeld von Innsbruck. Da sind wir aber bestrebt, gemeinsam mit Gemeinden, TVBs und Grundeigentümern die bestehenden Angebote weiterzuentwickeln. Ich appelliere daher an alle Freizeitnutzerinnen und -nutzer, sich an Wege zu halten oder beispielsweise forstliche Sperren zu respektieren. Was für viele Erholungsgebiet ist, ist für unsere Betriebe Arbeitsplatz – das dürfen wir nicht vergessen“, gibt der Bezirksobmann Thomas Schweigl einen Überblick über die Situation der Landwirtschaft in Innsbruck Stadt und Land.