Tiroler Höfegesetz
Bereits mit dem Gesetz vom 12. Juni 1900 betreffend die besonderen Rechtsverhältnisse geschlossener Höfe wurde das schon seit dem Mittelalter bekannte Gewohnheitsrecht, wonach insbesondere in Tirol ein Hof im Zuge der Übergabe an die nächste Generation nicht zerschlagen, sondern ungeteilt auf einen einzigen Nachfolger (Anerben) übergehen soll und die Weichenden in Geld abgefunden werden sollen, verschriftlicht. Durch diese besonderen Schutzbestimmungen des Tiroler Höfegesetzes (THG) konnten wirtschaftlich gesunde und leistungsfähige landwirtschaftliche Betriebe bestmöglich erhalten werden. Dieses Ziel liegt jedenfalls auch heute noch im öffentlichen Interesse. Ohne die auf geschlossene Höfe anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen des THG wäre in der heutigen Zeit wohl keine schützenswerte landwirtschaftliche Einheit mehr vorhanden. Jede Hofübergabe beziehungsweise Übertragung im Rahmen des Erbgangs würde wohl entweder zur Begründung von Miteigentum der Erben führen oder zur Abspaltung beziehungsweise Aufteilung der Flächen. Dies würde in weiterer Folge unweigerlich zur Zerstörung der wirtschaftlichen Einheit führen.
Der geschlossene Hof
Voraussetzung für die Anwendbarkeit des THG ist, dass ein geschlossener Hof existiert. Unter einem solchen versteht das THG jede land- und forstwirtschaftliche mit einer Hofstelle versehene Besitzung, deren Grundbuchseinlage sich in der Höfeabteilung des Hauptbuches befindet. Das heißt, jede Liegenschaft, welche mit einer Einlagezahl EZ 90000 aufwärts versehen ist, ist automatisch von Gesetzes wegen ein geschlossener Hof. Mit der Anwendbarkeit des THG gehen für den Eigentümer des Hofes auch Verfügungsbeschränkungen einher, denn der Hof soll ja nach Möglichkeit in seiner Gesamtheit erhalten bleiben. Insbesondere können beispielsweise Grundstücksteile des geschlossenen Hofes nicht ohne entsprechende Genehmigung der Behörde ab- und zugeschrieben werden (grundverkehrsrechtlicher Teil des Gesetzes). Die entscheidende Besonderheit des Höfegesetzes betrifft jedoch die erbrechtlichen Bestimmungen (anerbenrechtlicher Teil). Hauptgedanke und Ziel dieser erbrechtlichen Regelungen ist es, dass der geschlossene Hof als eine Einheit an eine Person und nicht ins Miteigentum von zum Beispiel drei Kindern übergehen soll. Der Anerbe hat dann die weichenden Erben, das sind jene Kinder, die den Hof verlassen, in Geld abzufinden, also auszubezahlen. Die konkreten Abfindungsbeträge errechnen sich anhand der, wie in jedem erbrechtlichen Verfahren, gesetzlich geregelten Erb- beziehungsweise Pflichtteilsquoten. Beispiel: Beim Ableben der Eigentümerin eines geschlossenen Hofes (ohne Testament) sind ein Ehegatte und drei Kinder vorhanden. Gemäß den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches steht dem Gatten ein Drittel, den drei Kindern gemeinsam die restlichen zwei Drittel, sohin jeweils zwei Neuntel als Erbquote zu.
Der Übernahmewert
Die Besonderheit des THG bezieht sich nicht auf die vorstehend genannten gesetzlichen Erbquoten, sondern auf die Berechnungsgrundlage. Bei einem geschlossenen Hof kommt als Berechnungsbasis der Abfindungsbeträge nicht der Verkehrswert einer Liegenschaft zur Anwendung, sondern der besondere Übernahmewert. Im Paragraph 21 des THG findet sich die Bestimmung, wonach im Falle, dass der Verstorbene keine Verfügung über einen Übernahmswert getroffen hat und sich auch die Miterben darüber nicht einigen können, das Verlassenschaftsgericht den Wert des Hofes nach billigem Ermessen so festzusetzen hat, dass der Übernehmer wohlbestehen kann. Dabei ist der Ertragswert des Hofes angemessen zu berücksichtigen. Der sogenannte Übernahmswert richtet sich dabei nach objektiven und subjektiven Kriterien, wie jene der Größe des Hofes, dessen Lage, beispielsweise wird auch der Umstand von dringenden Investitionen und die persönlichen Verhältnisse des Übernehmers berücksichtigt. Der Übernahmswert muss jedenfalls so festgelegt werden, dass der Übernehmer nach Erbauszahlung in der Lage sein kann, die Grundbedürfnisse für sich und seine Familie aus dem laufenden Betrieb zu decken, ohne dass es zu einem Substanzverkauf kommen muss. Zusammengefasst kann daher festgehalten werden, dass für die Berechnung der Abfindungszahlungen der weichenden Erben eines geschlossenen Hofes, wie bei jeder anderen Liegenschaft, die gesetzlichen Erbquoten herangezogen werden. Der große Unterschied liegt jedoch darin, dass beim Vorhandensein eines geschlossenen Hofes als Berechnungsbasis der gesetzlichen Quoten nicht der Verkehrswert (= der Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise erzielt werden kann) herangezogen wird, sondern der frei zu vereinbarende beziehungsweise im Streitfall vom Gericht zu ermittelnde Übernahmswert.
Ziel des Gesetzes
Nur durch die Heranziehung des Übernahmewertes kann ein Übernehmer/eine Übernehmerin die Weichenden ohne Abverkäufe vom Hof und ohne übermäßige Verschuldung ausbezahlen und den Hof weiterhin erhalten. Ziel des Gesetzes ist es nicht, einzelne Kinder zu bevorteilen, sondern ist es, die oberste Prämisse des Tiroler Höfegesetzes, die klein- und mittelständische landwirtschaftliche Struktur Tirols zu erhalten, indem wirtschaftlich lebensfähige Einheiten und Betriebe auch für die nächsten Generationen bestehen bleiben und so das typische Tiroler Bild der heimischen Landwirtschaft prägen können.