Verhaltensregeln für Besucher auf Almen
Mit dem Gesetz vom 4. Juli 2019, Landesgesetzblatt Nr. 103/2019, hat der Tiroler Landtag vor zwei Jahren das Tiroler Almschutzgesetz geändert. Im Rahmen des Maßnahmenpakets zur Almsicherheit wurde ein neuer § 5 in das Gesetz eingefügt: Demnach haben Besucher von Almen sich so zu verhalten, dass der Almbetrieb nicht beeinträchtigt und insbesondere das Weidevieh durch die Besucher oder durch von ihnen mitgeführte Tiere nicht gestört, beunruhigt oder gereizt wird. Im Tiroler Almschutzgesetz wurde dabei die Möglichkeit vorgesehen, dass die Landesregierung im Interesse der Sicherstellung eines ungestörten Almbetriebes sowie der gegenseitigen Rücksichtnahme und der Vermeidung von Nutzungskonflikten durch eine gesonderte Verordnung nähere Bestimmungen über Verhaltensregeln auf Almen, insbesondere für Besucher von Almen, die Tiere mitführen, erlassen kann. Nicht zuletzt aufgrund neuerlicher Vorkommnisse sah sich die Tiroler Landesregierung veranlasst, von dieser gesetzlichen Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen und hat deshalb am 23. Juni 2020 die Verordnung über die Sicherstellung eines ungestörten Almbetriebes sowie der gegenseitigen Rücksichtnahme und der Vermeidung von Nutzungskonflikten auf Almen erlassen. Die sogenannte Almschutzverordnung ist am 1. Juli 2020 in Kraft getreten. Im ersten Teil werden allgemeine Verhaltensregeln aufgestellt: Wanderer, Radfahrer und dergleichen haben sich so zu verhalten, dass der Almbetrieb nicht beeinträchtigt wird. Auf das Weidevieh ist Rücksicht zu nehmen, Nutzungskonflikte sind zu vermeiden.
Mitführen von Hunden
Im zweiten Teil wird speziell auf die Gefahrenlage beim Mitführen von eingegangen. § 2 schreibt Verhaltensregeln für den Besuch von Almen mit Hunden vor. Während der Zeit des Almbetriebes haben Besucher von Almen, welche einen Hund mit sich führen, diesen unter Kontrolle zu halten und an der kurzen Leine zu führen. Die Begegnung mit dem Weidevieh (insbesondere mit Muttertieren) ist zu vermeiden. Ist ein Angriff von Weidevieh absehbar, so ist der Hund sofort abzuleinen. Die Landwirtschaftskammer Tirol forderte die gesetzliche Verankerung konkreter Verhaltensregeln im Landesrecht und begrüßt deshalb die Initiative der Tiroler Landesregierung, von der Verordnungsermächtigung des § 5 Abs. 2 des Tiroler Almschutzgesetzes Gebrauch gemacht zu haben. Mit der erlassenen Almschutzverordnung will die Tiroler Landesregierung dem Ziel eines im Hinblick auf menschliche Besucher ungestörten Almbetriebs in Tirol nahekommen. Bei der Almschutzverordnung handelt es sich um ein sogenanntes „Schutzgesetz“, vergleichbar den Vorschriften für den Straßenverkehr in der Straßenverkehrsordnung. Schutzgesetze beschreiben bestimmte rechtswidrige Verhaltensweisen im gesellschaftlichen Zusammenleben, sie beinhalten Verhaltensgebote und -verbote. Für die Qualifizierung einer Norm als Schutzgesetz muss es sich nicht unbedingt um ein Gesetz im strafrechtlichen Sinne handeln. Ausreichend ist ein Gesetz im materiellen Sinn, also eine Verordnung, die einen Schadenseintritt vorzubeugen versucht. Die Almschutzverordnung hat dementsprechend den Zweck, Gefahrensituationen zwischen Weidevieh und Almbesuchern zu vermeiden. Ziel ist die Regelung von Nutzungskonflikten zwischen der Almwirtschaft und Besuchern.
Österreichweit einzigartig
Bislang sind Verhaltensregeln für Besucher von Almen lediglich als Empfehlungen des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus unter der Mitwirkung von Landwirtschafts- und Wirtschaftskammer sowie Alpenverein auf der Homepage sichere-almen.at veröffentlicht worden. Wie Ö-Normen, die nicht durch ein Gesetz für verbindlich erklärt worden sind, können solche Zusammenfassungen von Sorgfaltsanforderungen richtig oder falsch sein. Sie sind jedenfalls nicht verbindlich wie ein Schutzgesetz. Demgegenüber handelt es sich bei den Verhaltensregeln der Tiroler Almschutzverordnung um Anordnungen, welche die einzelnen Almbesucher, insbesondere solche, die Hunde mitführen, auch schützen sollen. Insoweit erreicht die Almschutzverordnung eine den meisten Normen der Straßenverkehrsordnung vergleichbare sachliche Reichweite im Bereich der Schutzgesetze des § 1311 ABGB. Damit hat Tirol neben einem mehrstufigen Versicherungsschirm auch auf rechtlicher Ebene bestmögliche Vorkehrungen für einen ungestörten Almbetrieb (betreffend die menschlichen Besucher) zur Unterstützung der Tiroler Almbäuerinnen und Almbauern geschaffen. Ein solcher Schutz ist in Österreich einzigartig.
Besucher von Almen haben…
- a) einen sicheren Abstand vom Weidevieh zu halten und den Kontakt zu vermeiden,
- b) das Weidevieh nicht zu füttern und nicht zu erschrecken und bei Zeichen von Unruhe das Weidegebiet, soweit zweckmäßig, zügig zu verlassen,
- c) soweit zweckmäßig, Wege auf den Almen und Weiden nicht zu verlassen, Weidezäune zu beachten, Weidetore zu nutzen und nach dem Passieren wieder zu verschließen,
- d) Weidevieh, welches den Weg versperrt, großräumig zu umgehen und herannahendem Weidevieh auszuweichen.