20 Jahre Schlichtungsstelle
Wenn die Tage immer länger werden, ist das Thema Licht von großer Bedeutung: Wenn die Bäume des Nachbarn das Licht der Sonne abschirmen, landen diese Fälle, bevor es zum Bezirksgericht geht, vor der Schlichtungsstelle der Landwirtschaftskammer. Diese gibt es mittlerweile seit 20 Jahren. Jährlich werden etwa 30 Fälle behandelt, im Durchschnitt kann mehr als die Hälfte "positiv", also mit einer Einigung im Sinne beider betroffenen Nachbarn, gelöst werden.
Schlichtungsstellen gibt es in den Landwirtschaftskammern Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Sie können die Erfahrung der juristisch und gartenbau-fachlich geschulten Mitarbeiter:innen und das Fachwissen der Landwirtschaftskammern in Grundstücksangelegenheiten nutzen.
Fall: Schattenwurf
Immer wieder wird uns als Schlichtungsstelle die Frage gestellt, ob man als neu zugezogener Nachbar einen langen Schatten auf seinem Grundstück dulden muss, weil der vorherige Eigentümer sich nicht daran gestoßen hat? Ist es von Belang, dass Bäume zu einer Zeit gesetzt wurden, als es noch kein Recht auf Licht im Gesetz gab? Das Höchstgericht beschäftigte sich mit diesen Fragen in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2016,
1 Ob 84/16h.
Sachverhalt
Vorliegender Fall spielt im ländlichen Raum, in welchem neben Ein- und Zweifamilienhäusern auch kleinere Wohnhausanlagen stehen. Seit 2010 wohnt dort eine Frau in einer Eigentumswohnung, welche sie geerbt hat. Bereits in den 1980er Jahren hatten Nachbarn entlang der Grundstücksgrenze Zypressen gesetzt, welche damals 65 - 80 cm hoch waren. Heute sind sie 15 m hoch und wirken wie ein Wald. Ein unüblich hoher Bewuchs in dieser Gegend, wie auch vor Gericht festgestellt wurde. Ab Mitte Nachmittag nimmt der Schatten ein hohes Ausmaß ein. Bereits am Nachmittag muss man die Wohnung mit künstlichem Licht erhellen, auch ein großer Ast fiel schon einmal auf das Grundstück der Betroffenen.
Bepflanzung älter als Gesetz
Die zugezogene Betroffene klagte die Baumeigentümer nun darauf, die Bäume so zu stutzen, dass wieder genug Licht zu ihr dringen kann. Zudem forderte sie, dass das ortsübliche Ausmaß wiederhergestellt werden soll. Sowohl das Bezirksgericht als auch in weiterer Folge das Landesgericht gaben der Klägerin statt. Das Landesgericht kam zum Schluss, dass es unzumutbar sei, mit so wenig Licht zu leben. Der Einwand der Baumeigentümer, die Zypressen seien vor 24 Jahren (vor Inkrafttreten des Gesetzes - Recht auf Licht) gepflanzt worden, sei nicht zielführend, so das Landesgericht. Denn als die Nachbarn damals die Zypressen gesetzt hatten, seien sie ja ohnedies nicht davon ausgegangen, dass die Hecke je eine derartige Höhe erreichen würde.
Oberster Gerichtshof
Auch der OGH zollte dem Argument der Baumeigentümer, wonach die Zypressen bereits in den 1980er Jahren gepflanzt wurden, also weit vor der Aufnahme der Bestimmung des Rechts auf Licht und Luft in das ABGB (2004), wenig Rechnung. Denn dass damals eine solche Regelung im Gesetz noch nicht absehbar war, führe keineswegs grundsätzlich dazu, dass die Interessen der Nachbarn, die die Bäume setzen, insgesamt höher zu gewichten seien. Auch den Einwand, wonach neu hinzukommende Nachbarn sich mit der "vorherrschenden Immission" abfinden müssen, wiesen die Höchstrichter zurück.
Herabfallende Äste
Gegen herabfallende Äste dürfen sich beeinträchtigte Nachbarn wehren, so der OGH weiter, diese müssen nicht erst warten, bis es tatsächlich zu einer Schädigung durch die Äste komme. Der OGH bestätigte somit das Urteil der Vorinstanzen. Die Baumeigentümer haben die Bäume so zu stutzen, dass genug Licht durchkommt und keine Gefahr durch die Äste mehr besteht.