Zukunftsfähige Tierzucht im Mittelpunkt
Die EAAP (European Association for Animal Production), die Europäische Vereinigung für Tierproduktion, veranstaltete ihre jährliche Konferenz vom 25. bis 29. August in Innsbruck. Rund 1.500 Teilnehmende aus 36 Nationen, Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Praxis, Politik und Wirtschaft, nahmen am 76. „Annual Meeting“ teil. Dieses Treffen fand 1997zum letzten Mal in Österreich statt. Mit über 1.200 wissenschaftlichen Beiträgen ist der Kongress die wichtigste europäische Plattform für Tierhaltung, Tiergesundheit und nachhaltige Agrarsysteme. 2025 stand er unter dem Motto „Future-Proof Livestock Farming“.
„Es ist eine große Ehre, dass der wichtigste europäische Tierhaltungskongress heuer in Innsbruck stattfindet. Österreich zeigt dabei, wofür unsere Landwirtschaft steht: standortangepasste Landwirtschaft, höchste Standards im Tierwohl, gelebte Kreislaufwirtschaft und Innovation. Forschung, Bildung und Beratung sind das Fundament – sie verbinden Tierwohl mit Klimaschutz und bringen Innovationen direkt auf die Höfe. Nur so sichern wir Einkommen, Tierwohl und Ernährungssicherheit für die Zukunft“, betonte BM Norbert Totschnig bei der Eröffnung.
Praxisnahe Forschung
Mitorganisiert wurde die Tagung vom Verein „Nachhaltige Tierhaltung Österreich“, kurz NTÖ. Dieser vereint die ARGE Rind, die Geflügelwirtschaft Österreich, die Rinderzucht Austria, die Schweinhaltung Österreich, den Österreichischen Bundesverband für Schafe und Ziegen sowie Pferd Austria unter einem Dach. Dass Wissenschaft und Praxis Hand in Hand arbeiten, ist auch für die NTÖ ein entscheidender Punkt, wie Obmann Markus Lukas im Rahmen des Eröffnungsabends betonte: „Wissenschaft ist nur dann wirkungsvoll, wenn sie bei den Menschen ankommt, die tagtäglich mit den Tieren arbeiten. Als Nachhaltige Tierhaltung Österreich sehen wir es als unsere zentrale Aufgabe, Erkenntnisse aus der Forschung so aufzubereiten, dass sie verständlich, praxisnah und direkt umsetzbar sind. Nur wenn Forschung und Praxis gemeinsam an einem Strang ziehen, entstehen echte Handlungsempfehlungen, die am Hof auch funktionieren. Als NTÖ ist es für uns eine große Ehre und zugleich ein starkes Signal, das österreichische Rahmenprogramm des EAAP-Kongresses gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium gestalten zu dürfen. Diese Verantwortung nehmen wir bewusst wahr, um der internationalen Fachwelt die österreichische Landwirtschaft mit all ihren Besonderheiten, Stärken und Herausforderungen transparent und authentisch näherzubringen.“
Als Gastgeberland kam Österreich eine besondere Rolle zu und die Stärken der heimischen Produktion wurden beleuchtet: hohe Standards im Tierwohl, gelebte Kreislaufwirtschaft, regionale Futtergrundlagen und ein starkes Beratungssystem. Zahlreiche Forschungsprojekte zeigen, wie Wissenschaft und Praxis Hand in Hand arbeiten. Dass das für die Bäuerinnen und Bauern wichtig ist, schilderte Sonja Wildauer, Bäuerin aus Fügenberg: „Als Landwirtin im Tiroler Berggebiet führe ich mit meiner Familie einen Braunviehbetrieb in Kombinationshaltung – also Stallhaltung in Kombination mit der Alpung. Diese Form der Tierhaltung verbindet Tiergesundheit, Wirtschaftlichkeit und gelebte Mensch-Tier-Beziehung auf eine Weise, wie es kein anderes System kann. Für uns ist es essenziell, dass Forschung nicht im Elfenbeinturm bleibt, sondern praxistauglich bei uns im Stall ankommt – mit klaren Empfehlungen, mit Werkzeugen, die wir wirklich anwenden können. Projekte wie ‚FoKUHs Herde‘ zeigen, dass das funktioniert: Die Genotypisierung weiblicher Tiere erlaubt uns eine gezielte Selektion, hilft bei der Anpaarung, beim Gesundheitsmanagement – und stärkt unsere Betriebe langfristig. Damit wir das aber auch im Alltag nutzen können, braucht es eine gute Zusammenarbeit mit Beratung, Kontrollstellen und vor allem mit unseren Verbänden auf Bundes- und Landesebene. Sie übersetzen wissenschaftliche Erkenntnisse in eine Sprache, die für uns verständlich ist, und bringen sie dorthin, wo sie hingehören: auf unsere Höfe.
Gerade im Berggebiet braucht es wirtschaftlich tragfähige Lösungen – denn viele Betriebe könnten sich einen Stallneubau nicht leisten. Die Kombinationshaltung ist für uns mehr als ein Kompromiss: Sie ist ein System, das den Tieren gerecht wird, unsere Almen erhält und unseren bäuerlichen Familienbetrieben eine Zukunft gibt. Wenn wir wollen, dass junge Menschen unsere Höfe weiterführen, dann müssen wir ihnen zeigen, dass Tierhaltung auch morgen noch möglich ist – mit wissenschaftlicher Unterstützung, gesellschaftlicher Anerkennung und wirtschaftlichem Rückhalt.“
Damit die Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer auch Eindrücke der landwirtschaftlichen Praxis mitnehmen konnten, standen zum Abschluss noch Exkursionen mit verschiedenen Schwerpunkten auf dem Programm.
Wichtige Themen des EAAP-Kongresses:
- Methanreduktion durch Zucht, Fütterung und innovative Zusatzstoffe
- Tierwohl: neue Indikatoren, Datenplattformen, praxistaugliche Umsetzungsmodelle
- Grünland und Weidesysteme: Anpassung an den Klimawandel, Biodiversität und Produktion
- Precision Livestock Farming: digitale Werkzeuge für Stall und Weide
- Zukunft der Schweine- und Geflügelhaltung
- Fütterung und Nachhaltigkeit mit Fokus auf Eiweißversorgung und Klimabilanz
- Tiergesundheit und Antibiotikareduktion
- Sozioökonomische Aspekte: Rolle der Landwirtschaft für Gesellschaft und Akzeptanz
Tierhaltung in Österreich – Zahlen, Daten, Fakten
Die Tierhaltung ist ein tragender Pfeiler der heimischen Landwirtschaft: Mit rund 4,7 Milliarden Euro Produktionswert macht sie etwa 5,7 % der gesamten landwirtschaftlichen Wertschöpfung aus. Auf rund 51.000 rinderhaltenden Betrieben, 17.700 Schweinehaltungen, 16.300 Schafhaltungen, 10.000 Ziegen- und 13.700 Pferdehaltungen wird eine beeindruckende Vielfalt an Tierarten betreut. Insgesamt werden etwa 1,8 Millionen Rinder, 2,5 Millionen Schweine, 100 Millionen Masthühner, 390.000 Schafe, 97.000 Ziegen und 80.000 Pferde gehalten.
Ein besonderes Merkmal der österreichischen Tierhaltung ist ihr kleinstrukturierter, familiärer Charakter: Mit durchschnittlich 34 Rindern pro Betrieb, 112 Schweinen, 33 Schafen oder 12 Ziegen liegt Österreich klar unter dem EU-Durchschnitt – und gleichzeitig an der Spitze bei der biologischen Tierhaltung. Rund 24 % der tierhaltenden Betriebe wirtschaften nach Bio-Kriterien – bei Mutterkühen sind es sogar 43 %, bei Masthühnern 20 % – ein EU-weiter Spitzenwert.
Auch die Almwirtschaft spielt eine tragende Rolle: Über 23.000 Betriebe treiben jährlich ihre Tiere auf rund 8.000 Almen, mit einer Gesamtfläche von über 320.000 Hektar, auf denen 260.000 Großvieheinheiten (GVE) weiden. Das stärkt nicht nur die Biodiversität und Kulturlandschaft, sondern auch die regionale Identität.
Im EU-Vergleich weist Österreich zudem die jüngste Altersstruktur in der Landwirtschaft auf – ein klares Zeichen für Innovationskraft und Generationennachfolge. Über 60 % der Gelder der 2. GAP-Säule fließen in Tierwohl- und Umweltmaßnahmen. Gleichzeitig wird die Branche mit gezielten Investitionen in Bildung, Beratung und Forschung zukunftsfit gemacht: Mit 90 Millionen Euro für agrarbezogene Forschung, 50 Millionen Euro für Wissenstransfer sowie jährlich 8,5 Millionen Euro für landwirtschaftliche Beratung wird das Know-how kontinuierlich weiterentwickelt.
Österreichs Tierhaltung verbindet damit ökologische Verantwortung, wirtschaftliche Stabilität und gesellschaftliche Akzeptanz – eine Kombination, die europaweit beispielgebend ist.