Zukunft der landwirtschaftlichen Nutzung
Sie sagen, Landschaft ist kein Zufall – sie ist gemacht von den Kräften der Natur und vom Menschen auf seinem Weg durch die Zeit. Wie wird sich die Landschaft künftig im alpinen Raum verändern?
Ja, heute sind etwa 85 bis 90 Prozent der Landschaft – von der Almfläche bis zu den Nutzwäldern – in Tirol vom Menschen verändert oder gar erzeugt worden. Damit ist er der Landschaftsgestalter schlechthin. In Tirol laufen derzeit zwei unterschiedliche Entwicklungen ab, die sich massiv auf die Umwelt auswirken: Zum einen wird in den Gunstlagen der breiten Täler die Landschaft immer intensiver genutzt und zunehmend verbaut. Zum anderen werden die landwirtschaftlichen Ungunstlagen großflächig brachgelegt. Gerade die Brachlegung passiert dabei nicht gesteuert, sondern v.a. auf den Almen fehlt Vieh und eine entsprechende Behirtung. Damit werden die weitläufigen Almlandschaften nur mehr zu einem geringen Ausmaß tatsächlich genutzt. Dort wird sich im Laufe der Zeit bis in eine Höhe von 2.400 Metern der Wald ausdehnen. Damit wird Tirol immer mehr zu einem Waldgebiet werden. Vor allem, wenn man auch noch den Klimawandel berücksichtigt. Durch ihn wird sich die Waldgrenze nochmals um 300 bis 600 Meter nach oben schrauben.
Erich Tasser ist Wissenschaftler am Institut für Alpine Umwelt an der Eurac Research in Bozen und lehrt an der Universität Innsbruck. Das Institut forscht primär zu den ökologischen Effekten von Landnutzungs- und Klima
änderungen, den damit ge
koppelten Folgen auf Biodiversität und Ökosystemleistungen, sowie zu Fragen der Nachhaltigkeit in Bergregionen.
Der Temperaturanstieg hat auch Auswirkungen für die Grünlandproduktion in den Tallagen. Welche Möglichkeiten gibt es zur Anpassung? Gibt es dafür konkrete Erfahrungswerte?
Grundsätzlich ist ein gemäßigter Temperaturanstieg für die Graslandproduktion kein Problem. Damit wird die Vegetationszeit länger und das Grünland produktiver. Die große Frage ist jedoch, ob die Wiesen noch ausreichend Wasser zum Wachstum haben werden. Nimmt nämlich die Temperatur zu, so verbrauchen die Pflanzen mehr Wasser. Damit wird es in Regionen, wo das Wasser bisher schon knapp war, tatsächlich zu einer geringeren Grünfutterproduktion kommen. Betroffen davon könnten schlimmstenfalls alle Grünlandflächen in den Tälern sein. Dies bedeutet, dass sich die Landwirtschaft wohl einen Plan zurechtlegen wird müssen, wie sie das, an sich ausreichend vorhandenen Wasser in Trockenphasen auf die Flächen bringen kann. Weitläufige technische Beregnungen und Wasserspeicherbecken werden zukünftig ein Thema werden. Bereits genügend Erfahrung dazu gibt es in den südwestlichen Alpen – auch in Südtirol.
Welche Rolle spielen höher gelegene Flächen künftig?
Wie es derzeit aussieht, werden die Almflächen in Zukunft hoch produktive Grünlandgebiete werden. Man muss sich nur vorstellen, dass die Temperaturverhältnisse einer Almfläche auf 1.600 Meter Meereshöhe in Zukunft jenen von heutigen Talmähwiesen auf 1.000 bis 1.200 Meter entsprechen werden. Nur mit dem großen Vorteil, dass dort oben die Niederschläge sehr wahrscheinlich auch in Zukunft in ausreichender Menge fallen werden.
Tendenziell nehmen die Almfutterflächen in Tirol ab. Was bedeutet das für die Gesellschaft, den Tourismus und letztendlich die Landwirtschaft?
Die Flächen gehen ja nicht verloren, aber sie verwalden zunehmend. Damit verliert Tirol zunehmend einen wichtige Werbeträger, und zwar die offenen, weitläufigen Almlandschaften als Wanderparadies. Zudem wird aber auch die Artenvielfalt darunter leiden, denn gerade diese bisher extensiv genutzten Agrarflächen beheimaten eine sehr große Pflanzen- und Tiervielfalt. Nicht zu vergessen, dass etwa auch offene Almflächen dafür sorgen, dass wir im Tal mehr Nutzwasser erhalten. Die Landwirtschaft selbst verliert natürlich Nutzfläche, und zwar in einem unter zukünftigen Klimasituationen zunehmend produktiveren Raum.
Wie kann man den klimatischen Veränderungen, wie langanhaltende Trockenperioden oder Dürren, entgegenwirken?
Langjährige Untersuchungen der Universität Innsbruck gemeinsam mit der Eurac Research Bozen zeigen deutlich, dass es Grünlandarten gibt, die wesentlich trockenheitsresistenter sind, als jene, die wir derzeit auf den meisten Tiroler Wiesen finden. Sie verbrauchen wesentlich weniger Wasser für die Produktion von Biomasse. Daher sollte sich die Landwirtschaft vermehrt dem Thema annehmen und gezielt Saatmischungen für trockenheitsgefährdete Wiesen einsetzen. Daneben wird eine technische Beregnung in manchen Regionen notwendig werden. Denkbar ist aber auch, dass man vermehrt auf Ackerbau oder Obst- und Weinbau umsteigt und dort solche Kulturarten mit geringem Wasserverbrauch produziert.
Sie haben das großangelegte, grenzüberschreitende Projekt „Kultur.Land.(Wirt)schaft“ (KuLaWi) geleitet und untersucht, welche Prozesse Einfluss auf das Landschaftsbild nehmen, welche Landschaft sich die Gesellschaft wünscht und wie die Stra
In der angesprochenen Studie haben wir über 6.000 Einheimische und Feriengäste zu ihren Wünschen an die Landschaft befragt. Das Ergebnis dieser repräsentativen Befragung war eindeutig: Gäste wie Einheimische wünschen die traditionelle Kulturlandschaft auf den Almen und die gepflegte, durchwachsene Grünlandschaft im Tal. Sie wollen keine ausgeräumten Grünlandmonokulturen oder Obstplantagen und sie wollen keine zersiedelten Landschaften. Es zeigte sich aber auch ein Wandel in der Gesellschaft: Für junge Menschen gehören auch Wälder zu den bevorzugten Landschaften. Grundsätzlich zeigte sich in dieser Studie auch eine hohe Wertschätzung für die Berglandwirtschaft, vor allem, wenn es um die Erzeugung von gesunden Lebensmittel und den Erhalt der Landschafts- und Artenvielfalt geht. Dafür waren die meisten bereit, auch mehr öffentliche Gelder auszugeben.