Zuerst in den Kühlschrank schauen
Der Beratertag der LK-Tirol befasste sich dieses Mal mit einer umfangreichen Themenpalette von Neuerungen beim Almschutz- und Jagdgesetz, die zu einer leichteren Entnahme von Problemwolfen führen sollten, bis hin zu Novellierungen beim Grundverkehr, der Raum- und Bauordnung. Mit Spannung erwartet wurde vor allem ein Vortrag mit anschließender Diskussion vom bayerischen Unternehmensberater Benno Steiner. Dabei ging er auf die Situation der sinkenden und gleichzeitig immer größer werdenden Landwirtschaftsbetriebe ein. Derzeit würden die Betriebsmittelpreise stärker als die Erzeugerpreise steigen. Seit 2008 seien die Jahre der Verluste immer mehr geworden. Auf den meisten Betrieben sinke das Eigenkapital, während der Verschuldungsgrad steigt.
Entwicklungstendenzen
Der Unternehmensberater zeigte Entwicklungstendenzen auf: „Es zeigt sich, dass die Unsicherheiten und Verteilungskonflikte zunehmen, Planung nur noch eingeschränkt funktioniert, Rahmenbedingungen unklar bleiben, die Einsamkeit auf manchen Höfen gefährlich wird, die Komplexität und die Herausforderungen weiter steigen, globaler Wettbewerb und Energiekosten anziehen und Überschüsse zum Problem werden.“ Trotz dieses düsteren Szenarios würden diese Umbruchzeiten auch Chancen bieten: „Es wird immer Esel und Rennpferde geben. Der Große frisst den Kleinen, aber auch der Schnelle den Langsamen.“ Strategien müsse man von Betrieb zu Betrieb individuell herausfinden. Expandieren sei für manche Höfe eine Option, aber auch den Größeren könne ein Größerer fressen. Besser und effizienter werden und neue Wege durch Diversifizierung einschlagen, könnten Zukunftsperspektiven sein. Man dürfe zudem bisher Denkunmögliches in Betracht ziehen – beispielsweise eine Betriebsgemeinschaft oder sogar die gänzliche Aufgabe des Betriebes: „Wenn das Pferd tot ist, steig ab“, brachte es Steiner auf den Punkt.
Neue Fragen stellen
„In der Landwirtschaftsberatung stellten wir uns bisher immer die Frage, wie viele Kühe ein Betrieb haben muss, damit es sich für ihn rentiert. Das Problem dabei ist, dass wir immer in den Rückspiegel schauen und mit Preisen aus der Vergangenheit kalkulieren, Vielleicht müssen wir künftig kreativer werden und künftige Entwicklungen vorausschauen.“ Bisher habe man eine zielorientierte Strategie verfolgt, das heißt, mit einem Ziel vor Augen wurde zuerst die Ist-Situation analysiert, dann eine Entscheidung getroffen, geplant, Ressourcen akquiriert und dann gehandelt. Weil aber alles anders komme, als man denkt, müsse man künftig mittelorientiert planen: „Wir sollten uns nicht immer vornehmen, was wir heute kochen, sondern den Kühlschrank aufmachen und schauen, was da ist. Wenn ich planen will, muss ich zuerst in den Kühlschrank schauen.“ Übertragen auf landwirtschaftliche Unternehmen sollten wir genau untersuchen, welche Potentiale der Betrieb und die Unternehmerfamilie zur Verfügung haben und daraus mögliche Entwicklungsrichtungen ableiten. Nichts sei so verrückt, dass es nicht funktionieren könne, jedoch müsse man bei Investitionen auch ein Risiko eingehen, etwaige Verluste müssten aber für den Betrieb „leistbar“ sein. „Wir Berater glauben oft, ein Betrieb muss in eine bestimmte Richtung, aber Kolumbus wollte auch nach Indien und hat Amerika entdeckt“, so der Unternehmensberater. In Zukunft müsse man daher zuerst die vorhandenen Mittel analysieren, danach Möglichkeiten untersuchen, das Risiko und den leistbaren Verlust feststellen, strategische Partner suchen und schließlich Umstände, Zufälle und Chancen erkennen und diese zu nutzen.