Wie „klimafit“ sind unsere Wälder?
Der Klimawandel mit seinen Wetterextremen macht auch vor den Tiroler Wäldern nicht halt – in diesem Zusammenhang ist wahrscheinlich allen Waldbesitzer:innen und Forstwirt:innen schon einmal der Begriff „Klimafitter Wald“ untergekommen. Aber was genau ist das eigentlich und wie kann dieser erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden? Klaus Viertler, Forstreferent der LK Tirol, klärt im Interview auf.
Was genau versteht man eigentlich unter dem Begriff „klimafitter Wald“ beziehungsweise „klimafitter Bergwald“?
Tirols Wälder werden seit vielen hundert Jahren intensiv genutzt. Holz war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts der wichtigste Bau- und Brennstoff für die Landbevölkerung und die Städte. Aber vor allem die Saline in Hall und der Bergbau in Schwaz und ganz Tirol hatten einen enormen Holzhunger, der ab ungefähr 1500 nur mittels großer Kahlschläge gestillt werden konnte. Dadurch veränderte sich über die Jahrhunderte die Waldzusammensetzung zugunsten von Fichten und Lärchen, die Wälder wurden gleichaltriger und ärmer an Baumarten und Struktur. Bis vor kurzem stellte dies kein großes Problem dar, die Waldwirtschaft der letzten 30 Jahre hat ohnehin den Anteil der Tannen und Laubhölzer in den Tallagen wieder langsam erhöht und naturnäher gemacht. Der immer schneller fortschreitende Klimawandel belastet unsere Wälder aber sehr. In den letzten 50 Jahren ist die Durchschnittstemperatur in Tirol um 3 bis 4 Grad gestiegen, lange Trockenperioden, Starkregen und Windstürme belasten die Waldbestände. Insbesondere die Fichte und langsam auch die Buche fallen dadurch großflächig aus und gefährden die wichtige Schutzfunktion des Waldes.
Die klimafitten Wälder sind die Lösung für dieses Problem –
durch die richtige Baumartenvielfalt und Berücksichtigung des zukünftigen Klimas, mehr Struktur und höhere Stabilität sind diese Wälder besser für Extremwetterereignisse gerüstet.
Warum sollte man als Waldbesitzer:in den vorhandenen Bestand darauf anpassen?
Wenn der eigene Wald von einer Windwurf- oder Borkenkäferkatastrophe getroffen wird, findet eine große Wertvernichtung statt. Der Holzpreis sinkt, die Qualität des gewonnenen Holzes wird durch einen höheren Brennholzanteil schlechter, die Holzernte wird aufwändiger und die Waldpflege auf ehemaligen Windwurfflächen ist schwieriger.
Klimafitte Wälder sind hingegen stabiler gegen Stürme und unempfindlicher gegen Trockenperioden. Regelmäßige, kleinflächige Nutzungen zu Zeiten hoher Holzpreise und niedrigere Erntekosten sichern ein gutes Einkommen und garantieren zusätzlich die Schutzfunktion unserer Wälder.
Wie funktioniert die Umstellung auf einen klimafitten Wald und wie lange braucht so etwas?
Die Förderung eines klimafitten Waldes ist recht einfach.
Besonders wichtig ist die konsequente Reduktion von überalterten Beständen und des Vorrats. Dabei sollte die Holznutzung so kleinflächig wie möglich passieren, damit die Struktur und Vielfalt im Wald erhöht wird. Wo möglich sollte mit Naturverjüngung gearbeitet werden, bei fehlenden Samenbäumen oder starker Verkrautungsneigung sollte eine Vielfalt an passenden Bäumen gesetzt werden. Der Waldaufseher ist hier gerne bei der Auswahl und der Pflanzenbestellung behilflich.
Auf die Durchforstung mittelalter Bestände darf aber nicht vergessen werden. Sie sind besonders anfällig für den immer häufiger vorkommenden Nassschnee.
Woher weiß man, welche Baumarten in Zukunft für unsere Wälder geeignet sein werden?
Die Fichte ist unsere häufigste Baumart. Lange Trockenperioden setzen dieser Baumart vor allem bis 1.000 Meter Seehöhe zu. Vor allem im Schutzwald kommt die Fichte häufig in eintönigen, überalterten Beständen vor. Für den Borkenkäfer ist sie dann leichte Beute – vor allem seit dieser Schädling durch den Klimawandel bis zur Baumgrenze hinauf vorkommt und sich durch die höheren Temperaturen und längeren Vegetationsperioden fast ungebremst vermehren kann. Aber auch die Buche leidet unter den Trockenperioden, der Klimawandel fördert zusätzlich neue Krankheiten wie das Triebsterben bei der Esche und die Russrindenkrankheit beim Ahorn.
Die Fichte ist ja vor allem aufgrund ihrer Wirtschaftlichkeit beliebt. Kann die Forstwirtschaft auch mit einer anderen Baumartenzusammensetzung noch finanziell wirtschaftlich betrieben werden oder müssen hier Abschläge gemacht werden?
Klimafitter Wald heißt nicht, komplett auf die Fichte zu verzichten! Stattdessen soll der Wald durch verschiedene Baumarten, mehr Artenvielfalt, viel Struktur und das Mischen von jungen und alten Waldbeständen auf kleinem Raum unempfindlicher gegen
Störungen gemacht werden.
Ein Instrument dazu ist die Waldtypenkarte, die über
TIRIS für jedes Grundstück abgerufen werden kann.
Dieses Programm gibt unter „Wald/Jagd“ – „Waldstandorte“ einen Hinweis, welche Baumarten und Waldpflegemaßnahmen zum eigenen Waldstandort passen.
Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für die diversen Umbaumaßnahmen?
Fachlich ist der Gemeindewaldaufseher vor Ort
behilflich. Auch biodiversitätsfördernde Handlungen
wie das Stehenlassen von alten Bäumen, Totholzbäumen oder die Pflege von Biotopflächen sind sinnvoll.
Viele dieser Maßnahmen werden durch die öffentliche
Hand unterstützt, leider aber meist nur im Schutzwald. Die Förderung umfasst Maßnahmen rund um die Aufforstung, die Pflege von Bergwälder
und die Schadensvorbeugung.
Hier kann die Bezirksforstinspektion bei der Bezirkshauptmannschaft über die aktuellen Fördermöglichkeiten Aufschluss geben.
Was der Wald leistet
Der Wald erfüllt wichtige Funktionen: Die Nutzfunktion (ökonomische Funktion durch Holznutzung), Schutzfunktion (Schutz der Lebensräume vor Naturgefahren), Erholungsfunktion (für die einzelne Person), Wohlfahrtsfunktion (positive Effekte auf Lebensräume z.B. durch Luftfilterung) und Lebensraumfunktion (für Pflanzen und Tiere).
- Knapp 42 Prozent der Tiroler Gesamtfläche sind bewaldet, das entspricht einer Fläche von rund 529.000 Hektar. (Waldinventur)
- Rund 128.613.000 Vfm Holz stehen in Tirols Wäldern.
- Die Tiroler Wälder werden von zirka 35.000 Waldbesitzer:innen bewirtschaftet.
- 364.000 Hektar, ungefähr 70 Prozent der Waldfläche in Tirol haben eine Schutzfunktion für die Bevölkerung
- Der Schutzwald arbeitet kostengünstig. Die Kosten für den Erhalt des Schutzwaldes, die Sanierung in Form von Verjüngungsmaßnahmen und das Setzen technischer Maßnahmen als Ersatz für wegfallenden Schutzwald bewegen sich im Verhältnis 1:15:146. (Quelle: Österreichischer Rechnungshof)
- Tirols Wälder wachsen! Jährlich wachsen zirka 6,9 Vfm pro Hektar Ertragswald zu, 6,3 Vfm davon werden wieder geerntet. Das bedeutet, dass der Vorrat in den Tiroler Wäldern jedes Jahr um ungefähr 250.000 Vfm zunimmt.
- Die bedeutendste Baumart in Tirol ist die Fichte, sie macht rund 48 Prozent des Baumbestandes aus. Auf sie folgt die Lärche mit lediglich acht Prozent.
Zusammen Herausforderungen bewältigen
Der Waldverband Tirol ist ein Verein aus engagierten Waldbäuerinnen und Waldbauern. Ziel des Verbandes ist es, die Freude und die Verantwortung für die Tiroler Wälder zu fördern und die gemeinschaftlichen Interessen der Waldbesitzer zu pflegen. Der aktuelle Obmann des Waldverbandes, Josef Fuchs aus Hopfgarten im Brixental, sieht in der Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung der heimischen Wälder als seine wichtigste Aufgabe: „Nur, wenn wir unsere Wälder umsichtig und regelmäßig bewirtschaften, können unsere Wälder gleichzeitig Schutz geben, der Erholung dienen, Lebensraum
für unsere Tier- und Pflanzenwelt sein und den Waldbäuerinnen und
Waldbauern einen finanziellen Ertrag bieten.“
Durch die Vertretung der Position der Tiroler Waldbesitzer:innen gegenüber öffentlichen Institutionen bleiben die Anliegen der Waldeigentümer:innen im Fokus der Landesregierung. Nur durch aktive Waldbewirtschaftung können die Wälder an den bedrohlichen Klimawandel angepasst und der nachhaltige Rohstoff Holz genutzt werden. Projekte des Waldverbandes wie die jährliche Wertholzsubmission Tirol helfen dabei, die Wertschöpfung aus den heimischen Wäldern zu erhöhen.