Schäden vermeiden – Gießen sanieren!
In den letzten Jahren kam es bei den landwirtschaftlichen Nutzflächen in den Talböden vermehrt zu Schäden durch Vernässung. Zum einen treten im Zuge des Klimawandels immer öfter Starkregenereignisse auf, welche in kurzer Zeit große Niederschlagsmengen bringen, die der Boden nicht aufnehmen kann. Zum anderen erhöht die immer stärkere Bodenversiegelung den Versickerungsdruck auf nicht versiegelte Flächen. Die Auswirkungen und Dauer der Vernässung nimmt aber auch zu, weil die Funktionsfähigkeit der Entwässerungsgräben vielerorts nicht mehr gegeben ist.
Dieser Problematik hat sich der Ausschuss für Boden- und Hochwasserschutz in der Landwirtschaftskammer Tirol angenommen.
Genossenschaften reaktivieren
Charakteristisch für diesen Gewässertyp ist ein meist sehr geringes Gefälle und eine geringe Fließgeschwindigkeit. Beide Eigenschaften begünstigen ein Verlanden des Gewässerbetts, was regelmäßige Räumungen und Vegetationspflegemaßnahmen erfordert, um die Entwässerungsfunktion zu erhalten und eine geregelte Hochwasserabfuhr zu gewährleisten.
Für die wasserrechtliche Genehmigung, die Umsetzung und den Erhalt von Entwässerungsgräben wurden Entwässerungsgenossenschaften gegründet, welchen die Grundbesitzer:innen der zu entwässernden Flächen angehören. In den Satzungen der Genossenschaften sind diverse Regelungen von der Abhaltung von Ausschüssen und Wahlen über die Einhebung von Mitgliedsbeiträgen bis hin zu Pflegemaßnahmen festgehalten. Die Gründung dieser Genossenschaften liegt teilweise mehrere Jahrzehnte zurück und viele sind mittlerweile inaktiv, auch weil viele der Flächen heute verpachtet sind.
Rechtliche Grundlagen für Entwässerungsgräben bilden zum einen das Wasserrechtsgesetz 1959 und zum anderen das Tiroler Naturschutzgesetz 2005. Alle Wasseranlagen, welche aufgrund eines wasserrechtlichen Bewilligungstatbestandes errichtet beziehungsweise geändert wurden, unterliegen dem Wasserrechtsgesetz 1959 und damit einer Instandhaltungspflicht. Das Tiroler Naturschutzgesetz 2005 legt fest, welche Vorhaben an einem Gewässer und dessen Uferbereich einer naturschutzrechtlichen Bewilligungspflicht unterliegen. Außerdem enthält das Tiroler Naturschutzgesetz 2005 Verbote, die zum Erhalt geschützter Arten beitragen sollen und Ausnahmen davon. Maßgeblich für die naturschutzrechtliche Bewilligung eines Vorhabens ist immer, ob das öffentliche Interesse der Beeinträchtigung des Interesses des Naturschutzes überwiegt oder nicht.
Aufgrund unzureichender Pflege ist die Entwässerungsleistung vieler Gießen heutzutage teilweise stark eingeschränkt. Die Böschungen sind inzwischen mit Ufergehölzen und Hochstauden bewachsen. Der so entstandene attraktive Lebensraum für geschützte Tier- und Pflanzenarten steht allerdings dem eigentlichen Zweck der Gießen entgegen. Beispielsweise kann das verstärkte Aufkommen des Bibers beobachtet werden, wodurch die ursprüngliche Entwässerungsfunktion der Gräben ins Gegenteil verkehrt wird.
Viele Herausforderungen
Eine weitere Herausforderung ist, dass manche der Entwässerungsgräben zu keiner Entwässerungsgenossenschaft gehören, sondern ins Eigentum von ÖBB oder der ASFINAG übergegangen sind. Diese Infrastrukturbetreiber fühlen sich aber auch nur für den bescheidmäßigen Bau und die Inbetriebnahme der Entwässerungsgräben zuständig, setzen aber keine wasserbaulichen Pflege- oder Instandhaltungsmaßnahmen, sondern betrachten diese als ökologische Ausgleichsmaßnahme.
Um einer weiteren Verschlechterung der Entwässerung von landwirtschaftlichen Flächen entgegen zu wirken, ist es wichtig, dass Entwässerungsgenossenschaften wieder reaktiviert und die Gießen saniert werden. Hinderlich dabei ist, dass viele Entwässerungsgenossenschaften kaum über finanzielle Rücklagen verfügen. Diese könnten über jährliche Beiträge der Mitglieder beziehungsweise der geschützten Unterlieger aufgebaut werden. Ein finanzieller Beitrag der Standortgemeinde ist sicherlich auch argumentierbar. Voraussetzung für die Reaktivierung dieser Genossenschaften ist die Kenntnis über den zugrundeliegenden wasserrechtlichen Bescheid. Dieser kann im Wasserbuch bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft ausgehoben werden. Im Bescheid sind die konkreten Rechte und Pflichten der Genossenschaft aufgelistet. Zudem muss geprüft werden, ob für etwaige Sanierungsmaßnahmen eine naturschutzrechtliche Bewilligung erforderlich ist und diese im Falle beantragt werden.
Die Landwirtschaftskammer Tirol und ihre Bezirksstellen bieten bei der Umsetzung der angeführten Maßnahmen gerne Unterstützung an.