Rinderhaltung in Zeiten des Klimawandels
Die Auswirkungen der Haltung von Rindern auf unser Klima sind stark davon abhängig, wie die Tiere gefüttert werden. Geschieht dies grünlandbasiert, also vorwiegend durch für den Menschen nicht verwertbare Biomasse, entsteht ein geschlossener Kreislauf, der nicht mit deutlich intensiveren Produktionsweisen mit hohem Kraftfutteranteil zu vergleichen ist. Auch der Faktor, ob die Wiederkäuer eine Nahrungskonkurrenz zum Menschen darstellen, bekommt ein immer größeres Gewicht. Betrachtet man intensive Produktionsgebiete, wie etwa in Südamerika, muss diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden.
Blick über die Grenzen
Jeder kennt die Bilder von sogenannten „Feedlots“ aus den USA und vor allem Südamerika. Die dortige Viehwirtschaft ist sehr intensiv und stetig im Wachsen, da der Export von Agrargütern eine wichtige volkswirtschaftliche Einnahmequelle ist. Zukünftig werden diese Produktionssysteme gegenüber der Bevölkerung und den Konsument:innen aber einen immer größer werdenden Argumentationsbedarf haben. Waldflächen werden für die Rinderhaltung gerodet, tausende Hektar sind für den Anbau von Futterpflanzen, vorwiegend Soja, „blockiert“.
Auch die nachhaltige, kreislaufbasierte Milch- und Fleischproduktion muss sich mit dieser Kritik auseinandersetzen. Strenge Produktionsrichtlinien, freiwilliger Verzicht auf südamerikanischen Soja usw. sind wichtige Schritte, die von den Konsument:innen auch anerkannt werden. Dass nicht jeder Boden ackerfähig ist und damit nur über die tierische Verwertung genutzt werden kann, dass nicht jedes Getreide die Qualität hat, vom Menschen verzehrt zu werden, usw. sind Fakten, die noch besser kommuniziert werden müssen.
Der Emissionsvorwurf
Die Landwirtschaft wird im Zusammenhang mit dem Klimawandel gerne pauschal verurteilt. Dabei ist nichts so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint – das trifft auch bei der Interpretation der Emissionszahlen zu.
Die österreichische Landwirtschaft hat 16,3 Prozent CO2-Äquivalente seit 1990 reduziert. Die Hauptverursacher wurden in bereits in Ausgabe 18 ausführlich betrachtet. Mit ihrem 10,8 prozentigen Anteil an den gesamten Treibhausgasemissionen emittiert die Landwirtschaft vorwiegend Methan und Ammoniak.
Der Sektor Verkehr verzeichnet seit 1990 den stärksten Anstieg von Treibhausgasemissionen mit einem Plus von sieben Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten bzw. 50,7 Prozent. Im Bereich der Landwirtschaft gingen die Emissionen seit 1990 um 1,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten bzw. minus 16,3 Prozent deutlich zurück. Hauptverantwortlich dafür ist insbesondere der Rückgang der Rinderhaltung in Österreich. Auch ein effizienterer Einsatz von Mineraldünger zeigt laut Klimaschutzbericht seine Wirkung. Durch die seit 1990 kontinuierlich ansteigende Milchleistung werden weniger Kühe zur Milchproduktion benötigt, andererseits müssen Kühe mit höherer Milchleistung energiereicher gefüttert werden, weshalb die Methan-Emission je Milchkuh zwar steigt, aber die Emissionen insgesamt jedoch deutlich zurückgingen, weil weniger Milchkühe vorhanden sind, die Methan ausstoßen können.
Lernprozess
Was liegt, das pickt – so ist es auch mit „Fakten“, selbst wenn diese bereits revidiert wurden. Ein solches Beispiel ist der Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) von 2006. In diesem Bericht mit dem Titel „Livestock’s Long Shadow“ (übersetzt: „Der lange Schatten der Tierhaltung“) wurden etwa tierische Produkte an die Spitze der Liste der Verursacher globaler Treibhausgasemissionen gesetzt. Rinder wurden damit als gleich klimaschädlich gesehen wie etwa der Verkehr. Im Jahr 2013 korrigierte die FAO diese Position teilweise und reduzierte die Daten zu Emissionen, die der Tierhaltung zuzurechnen sind, um 20 Prozent. Dennoch wird der Bericht von 2006 noch heute in zahlreichen Publikationen zitiert. Interessant ist, wie es zu dem Berechnungsfehler kam: Hochgerechnet wurde das weit verbreitete Produktionsverfahren in Nordamerika für Milch und Fleisch (Bewässerung des Luzernegrundfutters, bedarfsgerechte Mineralstoffdüngung, massive Mais- und Sojaimporte aus Südamerika, einhergehend mit der dortigen Regenwaldrodung) mit seinen Emissionswerten auf die gesamte weltweite Rinderproduktion. Die unterschiedlichen Systeme und Intensitäten in der Rinderhaltung wurden demnach nicht betrachtet.
Differenzierter ist im Gegensatz dazu ein Bericht des Weltklimarats der UNO (IPPC), der globalen Instanz bzgl. Klimawandel, aus dem Jahr 2020/21: Darin wurden Vorschläge und Anordnungen veröffentlicht, die aufzeigen, welche Maßnahmen weltweit gesetzt werden sollten, um die Klimaerwärmung einzudämmen. Darin heißt es: „Die Analyse der Huftierproduktion ist sehr komplex, aufgrund der vielfältigen Produktionssysteme und der großen Anzahl an Produkten, welche die Huftiere liefern. Der Weltklimarat stellt fest, dass eine Reduktion von Huftieren nicht leichtfertig empfohlen werden kann.“ Für den Weltklimarat ist also klar, dass die Reduktion des Wiederkäuerbestandes keine Lösung ist, sondern nur mehr Probleme schaffen würde. Es kann an dieser Stelle nur wiederholt werden, wie wichtig es ist, nachzufragen: Woher stammen die Daten und Fakten und wann wurden sie publiziert?