Mit Ziegen gegen Lawinen

Auf der Verpeilalm im Kaunertal blickt man auf einen erfolgreichen Almsommer zurück, in dem wertvolle Erfahrungen gemacht wurden. In diesem Seitental des Oberinntales im Bezirk Landeck sind in den Wintermonaten die Siedlungen und Verkehrswege im Tal durch die vielen Lawinenstriche gefährdet. Steile Bergflanken reichen bis auf über 3.000 Metern Seehöhe hinauf und dementsprechend groß ist das Einzugsgebiet für Lawinen für den besiedelten Raum.

Schutz durch Tritt und Verbiss
Dass durch Beweidung die Gefahr von Naturgefahren reduziert wird, ist bekannt. Tritt und Verbiss sind Hochwasserschutz und Lawinenverbauung im Kleinen, aufgrund der großflächigen Nutzung durch die Beweidung unserer Almen jedoch sehr wirksam. Wird die Alm nicht von den Tieren abgeweidet, friert der Schnee an der langen Vegetation an. In steilen Lagen geht der Schnee als Schneebrett oder Lawine ab. Dabei reißt der gefrorene Schnee die Pflanzen samt Wurzeln mit dem Boden heraus. Es entstehen sogenannte Blaiken. Der ungeschützte Boden liegt offen und ist bei Niederschlägen besonders verletzbar. Bei starken Niederschlägen nimmt der aufgeweichte Boden als Mure hier seinen Ausgang. Dadurch entsteht ein unguter Kreislauf, der den gesamten Siedlungsraum gefährdet. Aus diesem Grund will man im Kaunertal dieser Entwicklung entgegenwirken.
Mit dem Projekt „Reduktion durch Naturgefahren durch gezielte Beweidung“ wird gezeigt, welche positiven Entwicklung die Beweidung hat und wie sie großflächig Siedlungsgebiete schützen kann.
Almen nach 40 Jahren reaktiviert
Ein Projektstandort befindet sich im Stanzertal, ein zweiter auf der Verpeilalm im Kaunertal. Dort bricht unterhalb des Mooskopfes fast jedes Jahr die sogenannte Mooslawine ab. Der extrem exponierte Bereich ab einer Seehöhe von 2.000 Metern wurde über mindestens 40 Jahre nicht mehr beweidet. Heuer hat man diesen Almbereich wieder aktiviert. Auf einer Fläche von 20 Hektar wurden 46 Ziegen gealpt. Dazu wurde der gesamte Bereich mit einem Elektrozaun eingezäunt, dafür waren 150 Arbeitsstunden notwendig. Aufgetrieben wurden Ziegen der Rassen Blobe Ziegen, Tauernschecken, Steirische Scheckenziegen, Gemsfarbige Gebirgsziegen, Bündner Strahlenziegen und Walliser Schwarzhalsziegen. Die meisten Tiere stammten aus dem Tiroler Oberland, aber auch Ziegen aus Oberösterreich waren Teil der Herde, die größtenteils aus weiblichen Zuchtziegen bestand.
Weideerfolg schon nach einem Jahr
Positiv überraschst hat den Almpächter Urban Lentsch, dass die Einzäunung der Ziegen
so gut funktioniert hat: „Das Um und Auf ist eine tägliche Nachschau bei den Tieren, damit sie zutraulich und vertraut bleiben.“ Er ist der Pächter der Verpeilalm, auf der neben den Ziegen auch 86 Jungrinder und 13 Schafe gealpt werden. Der Weideerfolg auf der Ziegenalm ist schon nach dem ersten Projektjahr sichtbar, allerdings braucht es für die Beweidung der gesamten Fläche zukünftig eine deutlich höhere Stückzahl von rund 200 Stück.
Die elf Auftreiber sind froh, dass diese Ziegenalm neu gestartet wurde, und wissen es zu schätzen, dass es eine regelmäßige Nachschau und Kontrolle der Tiere gibt. Unterstützt wird das Projekt von der Gemeindegutsagrargemeinschaft Prutz, dem Tourismusverband Kaunertal, der Gemeinde Kaunertal, der KLAR Kaunergrat und der Landwirtschaftskammer Landeck. Die fachliche Begleitung erfolgt durch den Almexperten Michael Machatschek. Die Vegetation und ihre nachweislichen Veränderungen werden über die Projektlaufzeit untersucht. Nach dem erfolgreichen ersten Jahr wird dieses Projekt jedenfalls fortgeführt und ausgebaut, darüber sind sich alle Beteiligten einig.