Landwirtschaft und Tiroler Kultur schützen
Bei der Generalversammlung des Vereins zum Erhalt der Alm- und Landwirtschaft in Tirol wurden am vergangenen Montag viele wichtige almspezifische Themen vorgestellt und diskutiert, so etwa auch Überlegungen zu Jagdgesetznovelle. Dass eine solche nötig ist, zeigten die vorgestellten Risszahlen aus dem Jahr 2025. Wildtierbiologin Michaela Skuban unterstrich in ihrem Vortrag, dass Konflikte mit Großraubtieren in Tirol unvermeidbar sind und in politischen Entscheidungen vor allem auch die Bevölkerung vor Ort berücksichtigt werden muss. Aber nicht nur Großraubtiere, sondern auch Nutzungskonflikte erzeugen ernsthafte Probleme für die Almwirtschaft. Im kommenden Jahr soll wieder intensive Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden, um für diese Themen Verständnis unter dem Aspekt der Eigenverantwortung zu schaffen.
Alm – vielfältige Leistungen
Der konsequente Einsatz für den Erhalt der Almwirtschaft betrifft einen sehr großen Teil der Tiroler Landwirtschaft. Rund 380.000 Hektar Almkatasterfläche, davon 180.600 Hektar Almfutterfläche, umfassen die 2.060 Tiroler Almen. Die Bewirtschafter:innen pflegen hier mit 96.500 gealpten Großvieheinheiten die wertvollen Flächen. Besonders eindrücklich ist, dass 56 Prozent der in Tirol gehaltenen Milchkühe, das sind knapp 32.000 Stück, auf Almen aufgetrieben werden. Im heurigen Sommer konnten diese aufgrund der günstigen Wetterlage eine gute Milchleistung bei hervorragender Qualität erzielen. Ausschlaggebend dafür ist das gute Management durch das Almpersonal. Die aktiv bewirtschafteten Almen bringen auch weitreichende Vorteile für die Gesellschaft, da sie vor Naturkatastrophen schützen und die Biodiversität fördern.
Großraubtiere – Probleme bestehen weiter
Weniger erfreulich sind die Zahlen zu den Nutztierverlusten durch Großraubtiere. Norbert Gleirscher vom Land Tirol präsentierte den aktuellen Stand für das Jahr 2025.
Insgesamt 86-mal wurde ein Wolf nachgewiesen, es wurden 26 Maßnahmeverordnungen für Wölfe erlassen, wovon sechs erfüllt werden konnten. Hinzu kommen 23 Bärennachweise, bei einem Bären im Oberland durften Vergrämungsmaßnahmen gesetzt werden.
Die Zahlen der letzten Jahre zeigen, dass der Wolfsbestand, mit Ausnahme des Jahres 2024, stetig wächst.
Die Rissereignisse sorgen jedes Jahr für eine hohe emotionale und finanzielle Belastung in der Landwirtschaft. Bei den entstandenen finanziellen Schäden kann das Land unterstützen, hier werden gerissene, verletzte und vermisste Tiere nach Angriffen von Großraubtieren entschädigt. Bisher wurden dafür in diesem Jahr 178 Anträge gestellt, 677 Tiere wurden entschädigt, gemeinsam mit den Futter- und Tierarztkosten entstanden hier Ausgaben von zirka 206.600 Euro für das Land Tirol – deutlich mehr als noch im Jahr zuvor. Zusätzlich dazu übernahm das Land die Kosten von 270.000 Euro für die drei bestehenden Herdenschutzprojekte.
Jagdgesetznovelle
„In Hinblick auf die Entnahme von Wölfen wurden im vergangenen Jahr große Meilensteine erreicht. Im Dezember 2024 konnte der Schutzstatus der Wölfe sowohl in der Berner Konvention als auch in der FFH-Richtlinie gesenkt werden. Auf dieser Basis wurde über das Jahr hinweg an einem Vorschlag für eine Novelle des Tiroler Jagdgesetzes gearbeitet. In diesem wurden Forderungen, die seitens der Interessenvertretung aus der Praxis eingebracht wurden, berücksichtigt und deren Umsetzung rechtlich überprüft. Wird im nächsten Jahr der Vorschlag vom Tiroler Landtag angenommen, soll ein Wolf bereits bei Annäherung an eine Nutztierherde und Aufenthalt auf Weideflächen als Risikowolf eingestuft und entnommen werden. Auch bei der Definition eines Schadwolfes wird es entsprechende Anpassungen geben“, fasste Vereinsobmann Josef Hechenberger zusammen.
Obmann-Stellvertreter Elmar Monz ergänzte: „Mit Blick auf die schwierige Bejagbarkeit der Wölfe soll in Zukunft auch für die Almverantwortlichen, sofern diese die entsprechende jagdliche Befähigung in Form der Tiroler Jagdkarte vorweisen können, die Möglichkeit geschaffen werden, Schad- und Risikowölfe bzw. Wölfe, die eine unmittelbare Gefahr für die Nutztiere darstellen, zu entnehmen.“
Anders gelagert ist die Situation beim Bären, da dieser einen höheren Schutzstatus hat und bei der Population im Gegensatz zum Wolf kein gesicherter Zuwachs nachgewiesen werden kann. Eine Entnahme ist aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen daher nur möglich, wenn ein Individuum ein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung darstellt.
Der ausgearbeitete Entwurf wurde im Vorhinein rechtlich genauestens geprüft, um die nötige Sicherheit für Landwirt:innen und Jäger:innen zu schaffen. Die Abstimmung im Landtag ist für Anfang des kommenden Jahres angesetzt. Ziel ist es, dass die Novelle für die Almsaison 2026 bereits Anwendung findet.
Almsicherheit weiter forcieren
Ein weiteres Ziel für das kommende Jahr ist es, wieder vermehrt auf das richtige Verhalten auf der Alm aufmerksam zu machen. Das dreiteilige Konzept dafür, bestehend aus Öffentlichkeitsarbeit, Beschilderungen und Versicherungsschutz, wird bereits gut angenommen und zeigt Wirkung in punkto Bewusstseinsbildung und schafft Sicherheit für die Betriebe. Zunehmende Nutzungskonflikte mit Tourismus und Freizeitsport machen aber weitere Aktionen nötig. Dafür strebt man unter anderem eine noch engere Zusammenarbeit mit den Tourismusverbänden an, welche von beiden Seiten gewünscht wird.
Pragmatische, gemeinsame Lösungen
Eine, die nicht nur die Raubtiere, sondern auch die betroffenen Menschen vor Ort versteht, ist die Wildtierbiologin Dr. Michaela Skuban. Sie hat praktische Erfahrung als Schäferin sowie fachliche Expertise aus ihrer jahrelangen Feldforschung zu Bären und Wölfen. Ihr Ansatz zum Management von Großraubtieren ist es, Entscheidungen pragmatisch vor Ort mit den betroffenen Menschen zu treffen. Dafür setzt sie darauf, potenzielle Lebensräume immer in Kombination mit den zu erwartenden Konflikten zu betrachten. Für die Forschung an Bären war sie 2023 auch im Tiroler Oberland tätig. Im Rahmen der Vollversammlung berichtete sie von ihren Erfahrungen aus der Slowakei und Österreich und beantwortete auftretende Fragen.
Was braucht es, damit das oft geforderte Miteinander von Großraubtieren und Menschen gelingen kann? Sind diese Voraussetzungen in Tirol gegeben?
Hier in Tirol ist es ganz schwierig. Die Raubtiere waren mehr als 150 Jahre lang weg und die ganze Region hat sich in dieser Zeit extrem stark verändert. Pauschale Aussagen für ganze Regionen kann man nicht wirklich treffen, es gibt immer lokale Unterschiede. In Tirol sehe ich aber in weiten Teilen große Probleme, vor allem mit Bären, da ihnen aufgrund des intensiven Tourismus und Freizeitsports Ruhemöglichkeiten fehlen. Die Wälder Tirols bieten den Bären außerdem gerade im Herbst kaum Futter, da sie zu dem Zeitpunkt auf fetthaltige Bucheckern, Nüsse und Eicheln angewiesen sind, um sich einen Winterspeck anzufressen. Hinzu kommt noch, dass die Bevölkerung nicht an die Anwesenheit von Raubtieren gewohnt ist. Dass Wölfe und Bären dann Angst auslösen, ist klar. Besonders nachdenklich gestimmt hat mich zudem die Kleinstrukturiertheit der Landwirtschaft und die besondere Beziehung der Menschen zu ihren Tieren. Wenn drei Tiere einer zehnköpfigen Herde gerissen werden, ist das schon einmal ein riesengroßer wirtschaftlicher Ausfall – dazu kommt dann noch die emotionale Belastung, die niemals finanziell entschädigt werden kann. Das alles muss man in dieser Diskussion berücksichtigen. Gibt es zu viele Konflikte, für die keine Kompromisse gefunden werden können, ist ein Miteinander nicht möglich.
Wenn es um Landwirtschaft und Raubtiere geht, taucht schnell das Schlagwort „Herdenschutz“ auf. Ist dieser in Tirol umsetzbar?
Auf ein paar Almen kann ich mir schon vorstellen, dass Herdenschutz mit Hunden und Hirtinnen bzw. Hirten gut funktionieren könnte, aber auch hier hängt vieles von der Struktur der Landwirtschaft ab. Herdenschutzhunde müssen das ganze Jahr über mit Menschen und Tieren zusammen sein, sonst werden sie aufgrund der fehlenden Sozialisierung schnell mal gefährlich. Damit das System gut funktioniert, haben die Schäfer in der Slowakei mindestens vier Hunde. Bei vielen einzelnen kleinen Schafherden, die beim Almauftrieb neu zusammengesetzt werden und dann nur drei oder vier Monate behirtet werden müssen, macht das Konzept wenig Sinn. Auch die großflächige Errichtung von Zäunen ist praktisch meist nicht umsetzbar und würde viele Nachteile für die Wildtiere in der Region mit sich bringen.
Wie ordnest du das Zusammenleben mit Großraubtieren ein: Stellt es nur eine Gefahr für Nutztiere dar oder kann es auch für Menschen gefährlich sein?
Wenn es zu Angriffen kommt, liegt es im Regelfall daran, dass ein paar unglückliche Zufälle zusammentreffen. Man muss als Mensch im Bären- oder Wolfsgebiet schon auch sein Verhalten anpassen, beispielsweise auf Wegen bleiben und nicht mitten in der Nacht wandern gehen. Überrascht man die Tiere oder werden ihre Rückzugsgebiete dauernd von Menschen gestört, kann es zu Angriffen kommen. Besondere Vorsicht ist mit Hunden oder bei verletzten Bären geboten, da diese äußerst aggressiv reagieren. Aus diesem Grund bin ich auch gegen Vergrämungsmaßnahmen. Meine Forschung hat gezeigt, dass Vergrämung häufig nichts bringt und die eingesetzten Mittel schwere Verletzungen und somit ein hohes Maß an Tierleid verursachen. Stellt ein Wolf oder ein Bär ein Risiko dar, ist es meiner Meinung nach besser, das Individuum waidgerecht zu entnehmen. Jeder Angriff auf Menschen ist einer zu viel, aber das Risiko kann nie ganz ausgeschlossen werden.
Was ist dein Fazit zu deiner Zeit in Tirol?
Ich finde, dass es ein wunderschönes Land ist! Aber aufgrund der veränderten Landschaft und intensiven Nutzung ist eine Wiederansiedelung von Raubtieren wirklich schwierig. Ich möchte den Leuten hier nicht zugunsten der Raubtiere ihre Kultur und ihr gewohntes Leben nehmen. Vor allem, weil Bären und Wölfe anderswo, wo es ihnen besser geht und sie weniger Konflikte verursachen, genügend Platz haben.
Was braucht es, damit das oft geforderte Miteinander von Großraubtieren und Menschen gelingen kann? Sind diese Voraussetzungen in Tirol gegeben?
Hier in Tirol ist es ganz schwierig. Die Raubtiere waren mehr als 150 Jahre lang weg und die ganze Region hat sich in dieser Zeit extrem stark verändert. Pauschale Aussagen für ganze Regionen kann man nicht wirklich treffen, es gibt immer lokale Unterschiede. In Tirol sehe ich aber in weiten Teilen große Probleme, vor allem mit Bären, da ihnen aufgrund des intensiven Tourismus und Freizeitsports Ruhemöglichkeiten fehlen. Die Wälder Tirols bieten den Bären außerdem gerade im Herbst kaum Futter, da sie zu dem Zeitpunkt auf fetthaltige Bucheckern, Nüsse und Eicheln angewiesen sind, um sich einen Winterspeck anzufressen. Hinzu kommt noch, dass die Bevölkerung nicht an die Anwesenheit von Raubtieren gewohnt ist. Dass Wölfe und Bären dann Angst auslösen, ist klar. Besonders nachdenklich gestimmt hat mich zudem die Kleinstrukturiertheit der Landwirtschaft und die besondere Beziehung der Menschen zu ihren Tieren. Wenn drei Tiere einer zehnköpfigen Herde gerissen werden, ist das schon einmal ein riesengroßer wirtschaftlicher Ausfall – dazu kommt dann noch die emotionale Belastung, die niemals finanziell entschädigt werden kann. Das alles muss man in dieser Diskussion berücksichtigen. Gibt es zu viele Konflikte, für die keine Kompromisse gefunden werden können, ist ein Miteinander nicht möglich.
Wenn es um Landwirtschaft und Raubtiere geht, taucht schnell das Schlagwort „Herdenschutz“ auf. Ist dieser in Tirol umsetzbar?
Auf ein paar Almen kann ich mir schon vorstellen, dass Herdenschutz mit Hunden und Hirtinnen bzw. Hirten gut funktionieren könnte, aber auch hier hängt vieles von der Struktur der Landwirtschaft ab. Herdenschutzhunde müssen das ganze Jahr über mit Menschen und Tieren zusammen sein, sonst werden sie aufgrund der fehlenden Sozialisierung schnell mal gefährlich. Damit das System gut funktioniert, haben die Schäfer in der Slowakei mindestens vier Hunde. Bei vielen einzelnen kleinen Schafherden, die beim Almauftrieb neu zusammengesetzt werden und dann nur drei oder vier Monate behirtet werden müssen, macht das Konzept wenig Sinn. Auch die großflächige Errichtung von Zäunen ist praktisch meist nicht umsetzbar und würde viele Nachteile für die Wildtiere in der Region mit sich bringen.
Wie ordnest du das Zusammenleben mit Großraubtieren ein: Stellt es nur eine Gefahr für Nutztiere dar oder kann es auch für Menschen gefährlich sein?
Wenn es zu Angriffen kommt, liegt es im Regelfall daran, dass ein paar unglückliche Zufälle zusammentreffen. Man muss als Mensch im Bären- oder Wolfsgebiet schon auch sein Verhalten anpassen, beispielsweise auf Wegen bleiben und nicht mitten in der Nacht wandern gehen. Überrascht man die Tiere oder werden ihre Rückzugsgebiete dauernd von Menschen gestört, kann es zu Angriffen kommen. Besondere Vorsicht ist mit Hunden oder bei verletzten Bären geboten, da diese äußerst aggressiv reagieren. Aus diesem Grund bin ich auch gegen Vergrämungsmaßnahmen. Meine Forschung hat gezeigt, dass Vergrämung häufig nichts bringt und die eingesetzten Mittel schwere Verletzungen und somit ein hohes Maß an Tierleid verursachen. Stellt ein Wolf oder ein Bär ein Risiko dar, ist es meiner Meinung nach besser, das Individuum waidgerecht zu entnehmen. Jeder Angriff auf Menschen ist einer zu viel, aber das Risiko kann nie ganz ausgeschlossen werden.
Was ist dein Fazit zu deiner Zeit in Tirol?
Ich finde, dass es ein wunderschönes Land ist! Aber aufgrund der veränderten Landschaft und intensiven Nutzung ist eine Wiederansiedelung von Raubtieren wirklich schwierig. Ich möchte den Leuten hier nicht zugunsten der Raubtiere ihre Kultur und ihr gewohntes Leben nehmen. Vor allem, weil Bären und Wölfe anderswo, wo es ihnen besser geht und sie weniger Konflikte verursachen, genügend Platz haben.