Haltung zeigen!?
Der Milchmarkt ist komplex und international vernetzt. Daraus ergeben sich viele Vor-, aber auch Nachteile. In der Mitte Europas gelegen, spielt der Export unserer Qualitätsprodukte eine große Rolle. Phasen mit niedrigen Preisen im Inland können durch Exporte ausgeglichen werden, zugleich „schwappen“ aber auch Produktionsrichtlinien aus dem Ausland zu uns über. Ein solches Beispiel ist die Haltungskennzeichnung im deutschen Lebensmittelhandel. Seit 2022 muss dort auf Milchpackungen angegeben sein, in welcher Stallform die Milchkühe gehalten werden. Dazu gibt es ein vierstufiges System – von „1-Stallhaltung“ als unterstes Level bis zu „Bio“ oder „konventioneller Laufstall mit Zugang zu Weide und Auslauf“ als Stufe 4. Maßgeblich vorangetrieben wurde diese Kennzeichnung von der „Initiative Tierwohl“ (ITW). Dabei sind nicht nur alle Handelsketten, sondern auch Gastronomie sowie Landwirtschaft mit an Bord.
Auch innerhalb Deutschlands gibt es diesbezüglich sehr konträre Standpunkte. Dabei geht es in erster Linie „Nord gegen Süd“ bzw. „Groß gegen Klein“ – denn vor allem in Bayern stehen noch viele Milchkühe in der dauernden Anbindehaltung. In diesem Punkt hat Österreich seine Hausaufgaben bereits erledigt: Seit 2005 ist die permanente Anbindehaltung verboten und nur in absoluten Ausnahmefällen noch bis 2030 erlaubt – soweit die gesetzlichen Bestimmungen. Hinzu kommen gesellschaftliche Veränderungen und höhere Ansprüche der Konsumentenschaft.
Wie reagieren?
Bereits im November hat Österreichs größter Milchverarbeiter, die Berglandmilch, ein Informationsschreiben an ihre Milchlieferantinnen und Milchlieferanten verschickt. Darin wird erklärt, wie die Molkerei die Haltungskennzeichnung umsetzen wird. Dabei geht es nicht darum, ob das gewünscht ist oder nicht, sondern es handelt sich schlicht um eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Wenn man bedenkt, dass jeder vierte bis fünfte Liter österreichische Milch nach Deutschland exportiert wird, ist eine Umsetzung alternativlos.
Das Thema ist nicht neu, es wurde bereits seit Jahren um einen praxistauglichen Umsetzungsweg gerungen, damit die nach strengen Standards produzierte heimische Milch möglichst hoch eingestuft auch weiterhin in Deutschland im Regal angeboten werden kann. Im Dezember wurde dann das österreichische AMA-Gütesiegel-Programm von Deutschland anerkannt. Haltungsform.de stufte das AMA-Gütesiegel „Tierhaltung plus“ als Stufe 2 (in D „Stallhaltung plus“) und „Tierhaltung plus Außenklima“ als Stufe 3 (Außenklima) ein. Das AMA-Biosiegel ist schon seit zwei Jahren in der höchsten Stufe.
Neues Modul
Seit Jänner sind bei der AMA-Gütesiegel-Richtlinie „Haltung von Kühen“ Änderungen in Kraft. An mindestens 90 Tagen muss den Rindern Bewegungsmöglichkeit gewährt werden, die dauernde Anbindehaltung wird im Gütesiegel nicht mehr anerkannt. Neben dieser Änderung im Basismodul wird zusätzlich ein freiwilliges Modul „Tierhaltung plus“ angeboten. Darin sind höhere Standards im Bereich Tierhaltung, Tiergesundheit und Fütterung vorgesehen. Damit verbunden ist eine verpflichtende Teilnahme am Tiergesundheitsdienst und am Programm „erweitertes Tiergesundheits-Monitoring“ – das umfasst ein Monitoring der Antibiotikaeinsatzmengen sowie der Daten der Schlachttier- und Fleischuntersuchung. Je nach Einstufung sind beim Milchpreis Zu- oder Abschläge vorgesehen. Ab April 2024 wird österreichische Milch dann mit entsprechender Kennzeichnung in den deutschen Regalen erhältlich sein.
Unterstützung für Betriebe
Wie genau die unterschiedlichen Haltungsformen aktuell in Deutschland und Österreich eingestuft sind, zeigt die Grafik auf der linken Seite. Gerade Betriebe mit Kombinationshaltung stehen vor der Herausforderung, aber auch der Möglichkeit, durch Umbaumaßnahmen in eine höhere Stufe einsteigen zu können. Da die gesellschaftliche Forderung nach mehr Tierwohl kein kurzfristiger Trend, sondern eine langfristige Entwicklung ist, sind dahingehende Investitionen wichtige Schritte für eine erfolgreiche Zukunft in der Milchwirtschaft. Um die Betriebe zu unterstützen, ist eine mehrstufige Investitionsförderung geplant. Bereits am Tisch liegt eine Unterstützung für Betriebe, die keine 120 Tage im Auslauf oder auf der Weide schaffen. Alle Details dazu https://tirol.lko.at/investitionsförderung-für-milchkuhbetriebe+2400+3970383
Praktikable Lösungen
Die Bauberatung der Landwirtschaftskammer Tirol hat in den letzten Jahren bereits einige Betriebe bei kostengünstigen, aber praktikablen Umbaulösungen begleitet. Ein Beispiel für so einen Umbau finden Sie in den Landwirtschaftlichen Blättern Ausgabe 6/2024 auf Seite 4.