Gastgeber Tirol präsentierte alpine Landwirtschaft
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Die Präsidenten und Direktoren der Landeslandwirtschaftskammern Österreichs tagen regelmäßig in Wien, einmal jährlich im Juli gibt es zusätzlich einen Termin in einem Bundesland. Bei dieser Konferenz stehen neben dem Sitzungsprogramm Exkursionen auf für die Gastgeberregion typische land- und forstwirtschaftliche Betriebe auf dem Programm. Ziel ist es, Einblicke in die Höfe zu gewähren und so Verständnis für die Herausforderungen und Bedürfnisse der Bäuerinnen und Bauern im jeweiligen Gebiet zu generieren.
Heuer trafen sich die Vertreter der Landwirtschaftskammern im Tiroler Oberland, genauer gesagt im Paznaun. Die Tagung fand unter dem Motto „Landwirtschaft und Tourismus“ statt. Als Auftakt gab es ein Pressegespräch mit LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger und LK Tirol-Präsident Josef Hechenberger. Dabei ging es um agrarpolitische Brennpunkte auf EU- und nationaler Ebene – wie beispielsweise die überbordende Auflagen- und Bürokratielawine aus Brüssel und die damit verbundene Produktionsfeindlichkeit.
Bäuerliche Mehrleistungen absichern
„Es kann gar nicht oft genug betont werden, welch enormen Mehrwert unsere bäuerlichen Familienbetriebe samt Alm- und Weidewirtschaft für den gesamten Alpenraum haben. Land- und Forstwirtschaft sichern das vielfältige Leben und unseren Wohlstand. Sie schaffen regionale Versorgungssicherheit mit Qualitätslebensmitteln, produzieren nachhaltige Rohstoffe und Energie. Sie bilden die Basis für regionale Wertschöpfungsketten, allen voran Gastronomie und Tourismus. Mit ihrer Bewirtschaftungsvielfalt prägen sie die Kulturlandschaft und erhalten wichtige Infrastruktur für eine hohe Lebensqualität. Dieser Mehrwert ist keine Selbstverständlichkeit und nicht gottgegeben! Es muss aktiv gehandelt werden, um all das zu erhalten und zukunftsfit zu machen, insbesondere auf EU-Ebene, die den großen Rahmen vorgibt“, betonte Präsident Moosbrugger.
Nicht mit Bürokratie-Wahnsinn überfrachten
„Wie kaum ein anderes Land sorgt Österreich mit seiner Agrarpolitik für die Land- und Forstwirtschaft und Lebensqualität in berg- und benachteiligten Gebieten und nimmt auch in punkto Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle in Europa ein. Massive Probleme bereitet uns aber, dass auf europäischer Ebene eine enorme Produktionsfeindlichkeit um sich greift, die mit immer neuen, widersinnigen Strategien und Gesetzen zunehmend die EU-Eigenversorgung gefährdet“, warnt der LKÖ-Präsident, der fordert: „Wir dürfen nicht die Bäuerinnen und Bauern mit einem regelrechten Auflagen- und Bürokratie-Wahnsinn überlasten. Es kann nicht sein, dass sie bald mehr Zeit am Schreibtisch verbringen, als bei ihren Tieren oder am Feld. Zurück zur Praktikabilität! Schluss mit einseitigen Hindernissen und her mit vielseitigen Möglichkeiten aus Brüssel. Wir brauchen wieder einen fähigen EU-Agrarkommissar bzw. -kommissarin, die oder der sich nicht ständig vom Umweltkommissar überfahren lässt, sondern für echte Zukunftsperspektiven sorgt. Das Thema Versorgungssicherheit muss wieder an Bedeutung gewinnen. Zu echter Nachhaltigkeit gehören Umwelt, Wirtschaft und der Mensch gleichermaßen.“
Einbindung in Umsetzung gefordert
„Die wenigsten wissen, dass wir heuer mit 230.000 ha bzw. 10 Prozent der Agrarnutzfläche einen neuen Biodiversitätsflächen-Rekord in Österreich haben. Über 80% unserer Betriebe nehmen am Österreichischen Agrarumweltprogramm teil, wir haben 27 Prozent Biofläche. Wie kein anderer Sektor, wie kaum ein anderes EU-Land stehen wir somit aktiv für Klima- und Biodiversitätsschutz ein. Wir haben es satt, dass trotzdem praxisferne Lobbyisten immer so tun, als müsste die Welt vor den Bäuerinnen und Bauern geschützt werden. Vieles, was heute als besonders schützenswert gilt, ist das Ergebnis harter Bauernarbeit. Wo etwa die Almwirtschaft zum Aufgeben gezwungen ist, verarmt auch die Biodiversität“, betont Moosbrugger im Hinblick auf die EU-Renaturierungs-Verordnung, wo er eine Einbindung der Land- und Forstwirtschaft in die Umsetzung fordert. „Für Klima und Leben ist es das Wichtigste, den Bodenverbrauch einzudämmen und Energiesparen, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien voranzutreiben. Die Bäuerinnen und Bauern alleine werden auch nicht jegliche Verfehlungen der Menschheit geraderücken können. Alle Wirtschaftsbereiche sind gefordert“, so der LKÖ-Präsident.
Mehrwert durch Kooperation
Im Rahmen der auswärtigen Präsidentenkonferenz wurden auch einige landwirtschaftliche Betriebe besichtigt. Nicht zufällig wurde dafür das
Paznaun ausgewählt, wie LK-Tirol Präsident Josef Hechenberger erklärte: „Wir haben in Tirol glücklicherweise Regionen, wo Tourismus und Landwirtschaft sehr gut zusammenarbeiten, was einen großen Mehrwert für beide Seiten mit sich bringt. Eine solche Region ist das Paznaun. Wenn beide Branchen Hand in Hand arbeiten, können auch kleine landwirtschaftliche Betriebe erfolgreich in die Zukunft geführt werden, was für Tirol letztendlich unerlässlich ist.“
Als erster Betrieb öffnete der Hof der Familie Siegele in Kappl seine Türen für die Exkursionsteilnehmerinnen und –teilnehmer. Betriebsführer Gerhard Siegele bewirtschaftet den extremen Bergbauernbetrieb mit seiner Frau Sarah und den drei gemeinsamen Töchtern. Am Hof werden zwei Milchkühe und rund zehn Jungrinder gehalten. Das gesamte Vieh ist im Sommer auf der Alm. Rund 9 Hektar gehören zum Betrieb, davon 3,3 Hektar zweischnittig, knapp über vier Hektar Hutweide und rund zwei Hektar Bergmähder. Angesichts der Steilheit der Flächen wurde schnell klar, warum eine nicht zu Ende gedachte Diskussion um eine verpflichtende Haltungskennzeichnung fürs Berggebiet massive Nachteile mit sich bringt. Präsident Hechenberger bekräftigte bei dieser Gelegenheit einmal mehr, dass es hier eine differenziertere Betrachtungsweise benötigt: „Es gibt Unterschiede in der Form der Landwirtschaft, innerhalb Tirols, innerhalb Österreichs und erst recht über nationalstaatliche Grenzen hinweg. Daher kann ich bei der Tierwohldiskussion nicht hergehen, ein Kriterium herauspicken und danach die Betriebe in besser oder schlechter unterteilen. Gerade in diesen kleinen Strukturen ist Viehhaltung unverzichtbar für den Erhalt der Landwirtschaft, die Sicherung der Kulturlandschaft und damit auch des aktiven ländlichen Raumes. Unabhängig von der Stallform schauen die Bäuerinnen und Bauern, dass es den Tieren gut geht und erzeugen hochwertige Lebensmittel.“
Nächster Stopp war der Betrieb der Familie Reinalter, ebenfalls in Kappl. Hannes Reinalter und seine Frau Petra führen einen Heumilchbetrieb auf rund 1.400 Metern Seehöhe. Sie bewirtschaften ebenfalls rund 9 Hektar, davon 6,2 Hektar zweischnittig, knapp zwei Hektar Bergmähder und rund ein Hektar Hutweide. Am Hof werden rund zehn Milchkühe und Jungvieh gehalten, die Milch wird an die Tirol Milch gestellt, deren Obmann Hannes Reinalter ist. Zusätzlich gibt es drei Forellenteiche und drei Ferienwohnungen werden über Urlaub am Bauernhof vermietet.
Hannes Reinalter informierte die Exkursionsteilnehmerinnen und –teilnehmer ausführlich über den eigenen Betrieb sowie die Struktur im Bezirk, die Herausforderungen im Milchbereich und auch über die aktuell schwierige Situation, vor einer ungewissen veterinärtechnischen Versorgung zu stehen.
Emotionaler Einblick
Dass es im Paznaun aber auch größere Betriebe gibt, wurde am dritten Stopp in Galtür deutlich. Hermann Huber führt mit seiner Familie auf 1.700 Meter einen Braunviehzuchtbetrieb. Familie Huber bewirtschaftet rund 100 Hektar, davon 60 Hektar zweischnittig, 40 Hektar einmähdig. Dazu kommen 100 Hektar Almweide. Es werden rund 40 Milchkühe und 60 Stück Jungvieh gehalten. Die gesamte Milch wird in der eigenen Hofkäserei verarbeitet und zu verschiedenen Käsesorten veredelt. Diese kommen nicht nur im eigenen Hotel auf den Teller, sondern sind auch bei ausgewählten Handelspartnern gelistet.
Nach dieser Betriebsführung ging es zum Abschluss ins Alpinarium. Dieses Museum ist zugleich Lawinenverbauung und Erinnerungsort an das Lawinenunglück von 1999. Landeshauptmann Anton Mattle ließ es sich nicht nehmen, als damals amtierender Bürgermeister von Galtür, persönlich von seinen Erfahrungen und Eindrücken zu berichten. Seine Schilderungen und Geschichten machten deutlich, wie brutal die Natur im Berggebiet trotz aller technischer Hilfsmittel sein kann, aber auch wie viel bewältigbar ist, wenn viele Menschen zusammenhelfen.