Entscheidendes Jahr für Tiroler Landwirtschaft
2021 war mit vielen Herausforderungen verbunden. Was waren die aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ereignisse?
Hechenberger: Natürlich hat die Coronapandemie auch die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe vor immer neue Probleme gestellt. Besonders die Absatzeinbußen durch Wegfall von Gastronomie und Tourismus waren für viele Betriebe nur schwer zu stemmen. Zugleich haben sich durch ein gestiegenes Bewusstsein für den Wert einer produzierenden Landwirtschaft im Land auch Chancen für den Bereich der Direktvermarktung aufgetan. Während wir im Vergleich zu anderen Bundesländern im Sommer von größeren Unwetterschäden verschont geblieben sind, haben Bär und Wolf auf den Almen und teilweise auch Heimweiden großes Leid angerichtet. Deshalb haben die „großen Beutegreifer“ viele andere Themengebiete überlagert.
Das Thema Wolf polarisiert – wie geht es weiter?
Hechenberger: Wir haben heuer alles versucht, um eine gesetzliche Lösung auf Landesebene durchzubringen. Das ist in dieser Regierungskonstellation natürlich schwierig. Dass ein positiver Abschussbescheid auf Landesebene zustande kommt, war vor dem letzten Jahr fast undenkbar. Insofern sind wir in Sachen Bewusstseinsbildung auf politischer Ebene einen Schritt weitergekommen. Dass dieser Bescheid aber beeinsprucht wurde, ist ein Rückschlag. Ich verstehe die Wut der Bäuerinnen und Bauern, aber ich kann nur erneut betonen: Wir machen Wolf und Bär auf allen politischen Ebenen zum Thema, allerdings brauchen wir unbedingt auch eine Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. Abseits der bäuerlichen Welt gibt es auch im ländlichen Raum viele Menschen, die von der Rückkehr großer Beutegreifer nicht unmittelbar betroffen sind und daher nicht wissen, welche Auswirkungen damit verbunden sind. Diese aufzuzeigen ist eine zentrale Aufgabe für den nächsten Sommer, nur so werden wir irgendwann auch auf EU-Ebene entsprechende Änderungen im Schutzstatus zustande bringen.
In der bäuerlichen Welt vielleicht weniger wahrgenommen, aber mit 416.229 Unterschriften ein sehr erfolgreiches Volksbegehren war jenes zum Thema Tierschutz. Was ist da passiert?
Hechenberger: In diesem Volksbegehren wurden verschiedenste Punkte zur Verbesserung von Tierwohl und Tierschutz inklusive strengere Vorgaben bei den Haltungsbedingungen in den verschiedensten Bereichen gefordert. Diese Forderungen fanden viele Unterstützerinnen und Unterstützer in der Bevölkerung, weshalb nach Ende des Volksbegehrens eine öffentliche Anhörung im Parlament und zahlreiche Diskussionen im Gesundheitsausschuss folgten. Schlussendlich konnte man sich auf zahlreiche Punkte einigen, besonders wichtig für die Tiroler Landwirtschaft ist, dass die Kombinationshaltung weiterhin möglich bleibt. Dafür habe ich mich eingesetzt, denn es kann nicht sein, dass tausende Klein- und Kleinstbetriebe ihre Existenzgrundlage verlieren, weil Vorgaben, ohne Einblick in die Praxis zu haben, verschärft werden. Das waren keine einfachen Gespräche, aber ich bin froh, dass ein Paket für Veränderungen mit Augenmaß herausgekommen ist.
Gehen wir auf die Europäische Ebene. Der nationale Plan zur GAP wurde mit Jahresende an Brüssel übermittelt.
Hechenberger: 2023 soll planmäßig mit der neuen Finanzperiode gestartet werden. Jetzt prüft Brüssel die österreichischen Vorschläge und wir hoffen, dass wir nach den Mehrfachanträgen im Frühjahr dann mit der Informationskampagne zu den Details der neuen Rahmenbedingungen starten können. Es steht fest, dass durch neue Anforderungen an die Bewirtschaftung durch Klimawandel, gesellschaftliche Interessen usw. sich auch Änderungen in der Verteilung der Mittel ergeben. Gerade für unsere Tiroler Betriebe kann ich aber festhalten: Es ist gelungen, dass mehr Geld wie in der letzten Periode zur Verfügung steht, es wird allerdings nur über eine Beteiligung am ÖPUL abzuholen sein.
Deshalb wurde auch das Thema „Ökologisierung“ zum LK-Jahresschwerpunkt 2022 ernannt.
Hechenberger: Das Jahresmotto spiegelt jedes Jahr nach innen als auch nach außen. Heuer wird es einerseits darum gehen, rechtzeitig vor dem ersten Antrag in der neuen GAP-Periode über mögliche Programme für die unterschiedlichen Betriebstypen zu informieren. Es braucht nämlich umfangreiche Beratung, um zu gewährleisten, dass möglichst viele finanzielle Mittel aus EU- und Bundestopf von den Tiroler Betrieben abgeholt werden. Dabei wird die LK die Höfe bestmöglich begleiten. Andererseits geht es auch darum, aufzuzeigen, was unsere Betriebe hinsichtlich ökologischer Bewirtschaftung bereits leisten und warum deshalb „die“ Landwirtschaft nicht generalisiert betrachtet werden darf und international so ohne weiteres vergleichbar ist. Landwirtschaft interessiert die Menschen, es fehlt allerdings oft das Wissen um die Praxis auf unseren Höfen. Damit da nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden und wir ständig mit Pauschalierungen konfrontiert sind, möchten wir dazu auf verschiedenen Ebenen informieren.
Gesellschaftliche Trends prognostizieren einen Wandel in fast allen Lebensbereichen. Inwieweit ist die Land- und Forstwirtschaft involviert?
Hechenberger: Am augenscheinlichsten sind die Herausforderungen, die mit dem klimatischen Wandel einhergehen. Die Gründe dafür sind bekannt, allerdings ist noch unklar, wie es gelingen soll, den Temperaturanstieg in einem für die Menschheit noch verträglichen Rahmen zu halten. Wir sind bereits jetzt mit den teils massiven Veränderungen konfrontiert, auf die wir uns einstellen müssen. Klar ist, dass wir als Gesellschaft ressourcenschonender umgehen müssen, was ich als große Chance für unsere Landwirtschaft sehe. Wir leben in Zeiten des Überkonsums, wo vieles eigentlich keinen Wert mehr hat und leichtfertig gekauft und ebenso leichtfertig ungenutzt weggeschmissen wird. Dass es dazu immer mehr Gegentrends gibt, sehe ich positiv. Die zunehmend größer werdende kritische Konsumentenschaft hinterfragt Herkunft und Produktionsbedingungen ihrer Lebensmittel. Das ist für unsere Tiroler Landwirtschaft sowohl Chance als auch Auftrag.
Eine Chance ist auch das Erneuerbaren Austauschgesetz, kurz EAG. Inwieweit können Betriebe davon profitieren?
Hechenberger: Das Gesetz ist seit Juli 2021 in Kraft und soll gewährleisten, dass bis 2030 der gesamte Strombedarf Österreichs aus erneuerbaren Quellen kommt. Gerade die Photovoltaik leistet dazu einen großen Beitrag und deshalb wird der Ausbau von PV-Anlagen gefördert. Zwischen Investitionsförderung und der Auszahlung einer Marktprämie kann gewählt werden, auch der direkte Stromverkauf im Rahmen von Energiegemeinschaften wird unterstützt. Die landwirtschaftlichen Dachflächen werden teilweise bereits zur Stromerzeugung genutzt, es ist allerdings noch einiges Potential vorhanden. Mit dem EAG sollen Anreize geschaffen werden, diese auch zu nutzen. Eine PV-Anlage ist eine tolle Möglichkeit, einen Betrieb energieautark zu führen und Kosten langfristig zu senken. Deshalb informieren wir in den nächsten Ausgaben erneut darüber und unsere zuständigen Berater stehen für Fragen gerne zur Verfügung.