Der Kampf gegen die Verschwendung
Allein in Österreich entstehen jährlich rund eine Million Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle. 58 Prozent sind auf Privathaushalte, 18 Prozent auf den Außer-Haus-Verzehr und 14 Prozent auf die Verarbeitung zurückzuführen. Betroffen sind vor allem Brot, Süß- und Backwaren (28 Prozent), Obst und Gemüse (27 Prozent) und tierische Produkte (23 Prozent). Mit den weltweit verschwendeten Lebensmitteln könnten rund 3,5 Milliarden Menschen ernährt werden. Besonders hoch ist die Verschwendung in den Industriestaaten wie USA, Belgien, Kanada, Australien und auch Österreich mit 70 bis über 80 Kilogramm pro Kopf und Jahr, währenddessen in Entwicklungsländern wie Ruanda oder Mosambik die Verschwendung annähernd bei 0 liegt.
"Eine Rückbesinnung zur Saisonalität ist erforderlich. Es ist nicht alles zu jeder Jahreszeit verfügbar und schon gar nicht braucht es volle Regale bis zum Ladenschluss."
Vorreiter Frankreich
Auf europäischer Ebene sollten bis 2025 die Abfälle um 30 Prozent reduziert werden. Frankreich gilt als hier als Vorreiter. Es war das erste Land der Welt, das die Lebensmittelverschwendung offiziell unter Strafe stellte. Supermärkte mit einer Ladenfläche von mehr als 400 Quadratmetern werden verpflichtet, unverkaufte Lebensmittel an örtliche Tafeln oder andere gemeinnützige Institutionen zu spenden. Pro Vergehen droht eine Geldstrafe von 3.750 Euro. Die gesetzliche Regelung ist eine Win-Win-Situation für Tafeln und Bedürftige, ebenso wie für Supermärkte: Spenden diese nämlich die übrig gebliebenen Lebensmittel, bekommen sie 60 Prozent von der Steuer zurück. Im Lehrplan der Schulen ist zudem vorgegeben, dass Schüler/innen über Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung aufgeklärt werden müssen. Seit Juli 2021 sind Restaurants zusätzlich verpflichtet, sogenannte „Doggybags“ anzubieten – also Möglichkeiten, das Essen, was man im Restaurant nicht geschafft hat, mit nach Hause zu nehmen.
Handlungsbedarf in Österreich
In Österreich gibt es keine Verbote mit Strafen. Hierzulande setzt man auf Bewusstseinsbildung. Vielen Konsument/innen ist nämlich gar nicht bewusst, welche Konsequenz mit dem sorglosen Lebensmittelumgang verbunden ist. Es gilt darzulegen, wie viel Ressourcen (Fläche, Wasser, Arbeitskraft, sonstige Ressourcen) erforderlich sind, um bestimmte Lebensmittel herzustellen, über den richtigen Gebrauch von Lebensmitteln zu informieren, über die Bedeutung des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD), des Verkaufsdatums und des Verbrauchsdatums sowie über Möglichkeiten der Verlängerung der Haltbarkeit und damit der Genussfähigkeit aufzuklären. Bei richtiger Handhabung des MHD wird ein Vermeidungspotential von rund zehn Prozent vermutet. Für LK-Präsident Josef Hechenberger ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen: „Um der Lebensmittelverschwendung den Kampf anzusagen, braucht es vor allem eine Bereitstellung für den menschlichen Verzehr: Wir müssen beispielsweise Obst, das nicht den Qualitätskriterien für den Verkauf entspricht, zu Säften veredeln. Generell sollten Größen- und Qualitätsvorgaben vom Handel überdacht und noch genussfähige Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können, an soziale Einrichtungen abgegeben werden.“ Hechenberger fordert in diesem Zusammenhang ein Verbot von Lebensmittelverschwendung wie in Frankreich und zudem ein Umdenken in der gesamten Gesellschaft: „Wir brauchen eine stärkere Kooperation mit der Landwirtschaft in der Region und eine Rückbesinnung zur Saisonalität. Es ist nicht alles zu jeder Jahreszeit verfügbar und schon gar nicht braucht es volle Regale bis zum Ladenschluss.“ Der Handel solle vor allem auf Multipackangebote oder Mengenrabatte im Frischwarenbereich verzichten und stattdessen Produkte zeitgerecht vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums sowie Brot und Gebäck vom Vortag verbilligen. Vor der Entsorgung über den Restmüll könnten Lebensmittel als Ultima Ratio zudem teilweise verfüttert werden oder die Verwertung über Biogas- oder Kompostanlagen erfolgen. Hechenberger schließt sich einer langjährigen Forderung der Tiroler Bäuerinnen an, die bei der Bewusstseinsbildung bei den Konsument/innen beginnend in der Schule ansetzt: „Die Thematik gehört in den Lehrplänen der Schulen verankert, um ein Bewusstsein für den Wert unserer Lebensmittel im Kindesalter zu schaffen.“ Unterm Strich zeige die enorme Verschwendung auf, dass Lebensmittel derzeit eben weit unter diesem gehandelt werden: „Was nichts kostet, hat keinen Wert“, so Josef
Hechenberger.