Bauern auf dem Weg zur Energie-Unabhängigkeit
Die heimische Land- und Forstwirtschaft gibt die richtigen Antworten
auf die drängenden Klimaprobleme unserer Zeit. Sie steht für eine sichere Lebensmittelproduktion, kurze Transportwege sowie die Bereitstellung von erneuerbaren Energien. Seit mehr als drei Jahrzehnten tüfteln die Bauern an innovativen Energielösungen. Unzählige Prototypen aus der Landwirtschaft sind zu international marktfähigen Energietechnologien weiterentwickelt worden. Mit ausdauernder Begeisterung und echter Handarbeit entstanden zu Beginn der 1980er Jahre die ersten selbst gebauten Solaranlagen, die noch heute kostenlose Wärme erzeugen.
Pioniergeist hält an
Ein weiterer Meilenstein in der regionalen Wärmeversorgung war die technische Entwicklung der Biomasse-Hackgutanlagen.
Durch so manchen landwirtschaftlichen Pioniergeist wurden Öl, Gas und Kohle über die Jahre durch klimafreundliches und heimisches Waldhackgut ersetzt. Regionale Ressourcen sowie der effiziente Energieeinsatz sind wichtige Erfolgsfaktoren. Mit der zunehmenden Elektrifizierung und Digitalisierung kommt dem Produktionsfaktor Energie neue Bedeutung zu.
Heute finden wir auf den Höfen völlig neue Technologien zur Senkung der Energiekosten wie Photovoltaikanlagen, Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen, Stromspeicher oder von Satelliten gesteuerte Fahrassistenten. Die Techniken sind digital vernetzt und kommunizieren ständig miteinander, um eine möglichst effiziente Eigenenergieversorgung sicherzustellen. Die technische Entwicklung nimmt gerade rasant an Tempo zu.
Lust auf Energieeffizienz
Die Energieversorgung von morgen wird auch für die Land- und Forstwirtschaft anders sein.
Wir haben zehn Vordenkern zugehört. Sie haben uns Einblick in ihre Lösungen zur Energieversorgung gegeben.
Diese wertvollen Geschichten haben wir in eine Broschüre gepackt. Sie sollen zum Nachdenken anregen und Lust auf "energieeffiziente Land- und Forstwirtschaft" machen.
Broschüre
Landwirte zeigen Lösungen zur Steigerung der Energieeffizienz. Erhältlich unter energie@lk-stmk.at, Tel.-Nr.: 0316/8050-1433 oder hier. Die steirische Kammer kooperiert mit Bundesländer-Kammern im Bildungsprojekt "Energieeffiziente Landwirtschaft: Sichert Zukunft. Spart Geld". Ziele des Projekts sind die Erhöhung der Energieeffizienz sowie der Ausbau der erneuerbaren Energien in der Landwirtschaft. Mehr unter www.e-landwirtschaft.at.
Schweinemast-Stall
Gäste am Hof von Anton und Regina Zöbl in Weitendorf in der Steiermark brauchen vor allem eines: Weitblick. Einerseits, um das weitläufige Gelände zu überblicken, andererseits, um die Philosophie der stets gut gelaunten Landwirtefamilie zu verstehen. Anton und Regina Zöbl produzieren Kürbiskernöl, Erdäpfel und Schweinefleisch - hochwertig und energiesparend. Ihnen ist die Energiewende ein Herzensanliegen und sie haben konsequent den Weg in die Energieunabhängigkeit beschritten.
Stromkosten gesenkt
Gestartet wurde mit einer 10 kWp-Photovoltaikanlage am Dach des Schweinestalls. "Jetzt erzeugen wir unseren eigenen grünen Strom und senken damit die Stromkosten um bis zu 1.800 Euro pro Jahr“, gibt sich Anton Zöbl optimistisch. An sonnigen, heißen Tagen produziert die Anlage genug Energie, um den Schweinestall zu belüften. Im Jahresschnitt werden über 95% des erzeugten Stroms selbst genutzt. Angespornt von diesem Erfolgserlebnis investierten die Zöbls in weitere Stromsparmaßnahmen: sie modernisierten die Lüftungsanlage, ersetzten alte Elektrogeräte durch neue und installierten effiziente Heizungspumpen.
Lüftung kostet weniger
Acht alte Lüftungsanlagen wurden mit einem Frequenzumformer nachgerüstet und ein Stall auf eine zentrale Abluftanlage umgestellt. Mit der Frequenzsteuerung werden 50% der Lüftungskosten eingespart. Die Investition in einen Frequenzumformer rechnet sich nach drei Jahren. In Summe wurden durch die Umsetzung aller Energiesparmaßnahmen rund 10.000 Kilowattstunden Strom eingespart. Für Anton und Regina Zöbl kein Grund innezuhalten. Die Familie möchte noch energieunabhängiger werden und sich irgendwann einen Stromspeicher und ein E-Auto anschaffen. Die ersten Testfahrten mit einem e-Up gab es schon. Mit dem Kauf möchte die Familie aber noch warten, bis in nicht allzu ferner Zukunft mehr Modelle am Markt sind und die E-Motoren eine höhere Reichweite erzielen.
Stromspeicher
Apropos Zukunft: Diese gehört auch bei den Zöbls den Kindern. Alle drei interessieren sich für die Landwirtschaft. Die Eltern möchten ihren Sprösslingen zwar nichts vorgeben, "aber vieles vorzeigen". Herzeigbar sind die bisherigen Maßnahmen auf jeden Fall. Der nächste, aber sicher nicht letzte Schritt wird die Anschaffung eines Stromspeichers sein.
Geflügelmast-Stall
Familie Stöger betreibt in Neuhofen an der Ybbs einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 27ha Ackerbau und 52.000 Masthühnern. Die Hühnermast ist seit 1975 der Haupterwerb und wurde seitdem laufend erweitert. Die Themen effiziente Energienutzung und Nachhaltigkeit wurden im Jahr 2001 aktuell.
Hackgut statt Gas und Öl
Die ständig steigenden Energiekosten waren ausschlaggebend für den Entschluss, in einem ersten Schritt von Gas und Öl auf Hackgut umzusteigen. Die Tiergesundheit und entsprechende Zuwachsleistungen der Tiere sind Erich Stöger ein aufrichtiges Anliegen. Um diese Problematik zu minimieren, wurde die Beheizung der Hühnermastställe auf Fußbodenheizung umgestellt. Neben der Optimierung der Tiergesundheit konnten auch die Heizkosten entsprechend gesenkt werden. Im Zuge des Umbaus wurde auch die Lüftungsanlage erneuert und frequenzgesteuerte Ventilatoren eingebaut.
Wasservernebelung
Im Jahr 2018 errichtete Familie Stöger einen weiteren Geflügelmaststall für 43.000 Tiere. Dabei fiel die Wahl auf Betonfertigteile mit einer integrierten Dämmschicht. Um die Heizung im neuen Stall weiter zu optimieren, wurde ein Luft-Luft-Wärmetauscher mit einer Heizleistung von 170 Kilowatt installiert. Damit die Tiere in den Sommermonaten nicht unter den Folgen von Hitzestress leiden, wurde im Stall eine Hochdruck-Wasservernebelungsanlage montiert. Weiters errichtete Erich Stöger auf der nach Süden ausgerichteten Fläche eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von insgesamt 200 kWp.
Milchvieh-Stall
Familie Forstner aus Sonnberg bei Trieben versucht seit jeher die Milchproduktion effizient und umweltfreundlich zu gestalten. Dies ist schon beim Blick auf das Stallgebäude erkennbar. Die Kunstnester an der Stallwand bieten Schutz und Heimat für viele Schwalbenpaare und ihren Nachwuchs.
40% weniger Strom
Im Stall wird man von "Bertl“, dem smarten Stallroboter empfangen. Er sorgt für die laufende Futterzufuhr und erleichtert das Arbeiten. Durch die Vergrößerung des bestehenden Milchvorkühlers sowie den Einbau einer Frequenzsteuerung bei der Vakuumpumpe senkte die Familie den Stromverbrauch für die Milchproduktion um 40%. Durch die Vorkühlung der Milch mit kaltem Quellwasser wird die kuhwarme Milch ohne Strom von 35 auf 18 Grad Celsius heruntergekühlt. Herbert Forstner überlegt, das erwärmte Quellwasser zur Tränkung der Tiere zu verwenden. Speziell im Winter sorgt erwärmtes Trinkwasser für eine höhere Wasseraufnahme sowie Milchproduktion. Die Frequenzsteuerung regelt den Motor der Vakuumpumpe auf 35 Hertz herunter. Dadurch sinkt der Geräuschpegel und der Stromverbrauch wird um 40% reduziert. Durch die Nachrüstung und den Pumpentyp konnte nicht das volle Effizienzpotenzial der Frequenzsteuerung von 60% ausgeschöpft werden.
LED-Lichttechnik
Die gestiegenen Hitzetage wirken sich negativ auf das Wohlbefinden der Tiere aus. Die mechanische Belüftung der Stallungen ist nicht mehr wegzudenken. Im Jungviehstall wurde ein neues Lüftungssystem eingebaut. Eine Tunnelbelüftung mit hocheffizienter Frequenzsteuerung sorgt für den notwendigen Luftaustausch. Zusätzlich wurden jene Neonröhren, die eine hohe Beleuchtungszeit aufweisen, auf LED-Lichttechnik umgestellt. Die Einsparungen in der Lichttechnik liegen bei 60%.
Neugierig sein
Die Milchproduktion ist ein stromintensiver Arbeitsprozess mit hohen Stromspitzen. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, den Stromverbrauch zu verschieben. Eine Photovoltaikanlage zur Eigenstromabdeckung ist daher für den Betrieb schwierig umzusetzen. In Kombination mit einem Elektroauto oder einem Stromspeicher könnten sich neue Möglichkeiten ergeben. "Es passen nicht alle technischen Lösungen für alle Anwendungen. Trotzdem bleiben wir neugierig und veränderungsbereit“, so Herbert Forstner.