75 Jahre Tiroler Saatbaugenossenschaft
In der Nachkriegszeit im Jahre 1949 haben die Oberländer Ackerbauern und -bäuerinnen rasch erkannt, dass eine überörtliche Zusammenarbeit beim Anbau bis hin zur Vermarktung von Ackerfrüchten, vorwiegend Erdäpfeln, ein zukunftstauglicher Weg ist. Nicht nur die Produktion von eigenen Lebensmitteln zur Versorgung der Bevölkerung stand im Mittelpunkt, durch gemeinschaftliche Saatgutvermehrung und Vermarktung konnten sich die kleinstrukturierten Betriebe neben der Milch- und Viehwirtschaft ein weiteres wichtiges Standbein schaffen.
In den folgenden Jahren konnte der Kartoffelanbau auch mithilfe der technischen Weiterentwicklungen und dem damit einhergehenden Einsatz von Traktoren und Ackerbaugerätschaften entsprechend ausgebaut und professionalisiert werden.
baugenossenschaft eine wichtige Drehscheibe für die bäuerlichen Betriebe in der Region. Es konnten durch gemeinschaftliche Aktivitäten wie beim Ankauf und der Vermehrung von Saatgut, dem Kauf von Pflanzenschutzmitteln sowie bei der Lagerung und Vermarktung, große Vorteile geschaffen werden.
Auf Grundlage von guten ackerbaufähigen Böden und der sich in der Region entwickelnden Fruchtfolgewirtschaft konnten die Erträge durch Wissensaustausch und Know-how aus anderen Regionen auf sehr gute Qualitäten und Mengen gesteigert werden. Wie in vielen anderen Bereichen wurde der genossenschaftliche Gedanke hochgehalten und auch seitens der öffentlichen Hand ausreichend unterstützt. So konnten die damals noch vermehrt vorliegenden Vollerwerbsbetriebe auch in ihrer Kleinstrukturiertheit akzeptable Familieneinkommen erwirtschaften.
Beim Festakt zum Jubiläum am 30. Juni in Flaurling berichtete Obmann Josef Gruber von der Entwicklung der Genossenschaft und der damit verbundenen Kartoffelproduktion, welche mit dem EU-Beitritt 1995 – wie in fast allen Sektoren – einen großen Einschnitt erfahren hatte. Aufgrund der plötzlich nicht mehr zugelassenen Maßnahmen der Preisstützung durch die öffentliche Hand und den freien Markt war die Preissituation plötzlich ganz anders gelagert. So war es auch für die Genossenschaft als Organisation sehr schwierig, diese wirtschaftlich zu führen.
Josef Gruber berichtete von vielen Besprechungen, heftigen Diskussionen und schwierigen Entscheidungen ob der Weiterführung der Genossenschaft. Jedenfalls erwähnenswert war der starke Zusammenhalt der Mitglieder und auch die viel diskutierten und schmerzhaften Veränderungen in der Ausrichtung der Tiroler Saatbau – nicht zuletzt unter Einsatz von Eigenmitteln der Mitglieder, um die Genossenschaft überhaupt erhalten zu können.
Die Kartoffelproduzenten haben aber schnell erkannt, dass der freie Markt nun andere Absatzkanäle benötigte, jeder Betrieb für den Absatz seiner Produkte selbst verantwortlich und diese Situation auch durchaus Chancen mit sich brachte.
Bis heute ist das Lager in Flaurling eine nicht wegzudenkende Einrichtung für Dienstleistungen wie Lagern, Sortieren und Abpacken, welche alle Mitglieder zur Produktion und Vermarktung benötigen. Mit der zukunftsweisenden Investition in eine moderne Getreideaufbereitungs-, Lagerungs- und Trocknungsanlage hat die Tiroler Saatbau einen wichtigen und richtigen Schritt für ein modernes Dienstleistungszentrum geschaffen. Durch die Möglichkeit, nun auch hoch qualitatives Getreide an Brauereien und Bäckereien sowie Mühlen zu verkaufen, wurde gerade für zwischenzeitlich fast nur mehr im Nebenerwerb wirtschaftenden Betriebe eine Möglichkeit geschaffen, mit Ackerbau zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften.
Dieser zwar anfangs vorsichtig und kritisch beäugte Investitionsplan wurde seitens des Landes (Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler) sehr gut unterstützt und gefördert und so war die Anlage auch in der heurigen Erntephase eine viel frequentierte Anlaufstelle der Tiroler Ackerbaubetriebe.
Die Landwirtschaftskammer war in den letzten 30 Jahren immer eine gern gesehene Partnerin der Tiroler Saatbaugenossenschaft. So stellte die LK in dieser Zeit mit Heinz Hausmann und Reinhard Egger die erforderlichen personellen Ressourcen zur Verfügung, sodass diese Mitarbeiter auch als Geschäftsführer bei der Genossenschaft federführend agieren konnten.
Auch in der Ackerbauberatung – vom Anbau bis hin zum Einsatz von Pflanzenschutz – wird die Kammer auch weiterhin Partnerin der Saatbaugenossenschaft und damit der Tiroler Ackerbauern und -bäuerinnen sein.
Nachgefragt
Wenn man auf die Geschichte der Saatbau-Genossenschaft zurückblickt, was waren die größten Herausforderungen in all den Jahren?
Josef Gruber, Obmann Tiroler Saatbaugenossenschaft: Nach dem Krieg war sicher die Lebensmittelversorgung im Land eine zentrale Aufgabe und Herausforderung zugleich. Durch Züchtung und Einsatz von passendem Saatgut konnte die Produktion rasch gesteigert und gute Erträge geerntet werden. Eine große Herausforderung war auch der EU-Beitritt, damit verbunden der Wegfall der öffentlichen Preisstützungen und Einzug des freien Marktes. Hervorzuheben ist, dass die Bauern und Bäuerinnen in Krisenzeiten zusammengestanden sind und privates Geld zur Überbrückung von Abgängen investiert haben.
Die Zeit um den EU-Beitritt Österreichs war auch für die kleine, regionale Genossenschaft sehr fordernd, wie konnte dies gemeistert werden?
Heinz Hausmann, Geschäftsführer außer Dienst: Durch nationale Marktordnungsmechanismen und jährlichen Preisgarantien war ein angemessenes Einkommen für die Erdäpfelbauern und –bäuerinnen sichergestellt. Mit dem Beitritt standen diese Maßnahmen klar im Widerspruch zum EU-Recht und der Speisekartoffelmarkt wurde von ausländischen Anbieter: innen überschwemmt. Die Genossenschaft geriet in wirtschaftliche Probleme, die Bauern und Bäuerinnen mussten nicht vermarktbare Ware aus den Lagern zurückholen. Dieser Situation geschuldet machte sich vielerorts die Meinung breit, dass die Saatbaugenossenschaft wohl nicht mehr weitergeführt werden kann. Der damaligen Funktionärsschaft und den Mitgliedern ist es – auch unter Einsatz von Eigenmitteln – trotzdem gelungen, die Genossenschaft zu retten. Strukturelle Maßnahmen und die Reduktion auf das Kerngeschäft waren unerlässlich, um diese wichtige Infrastruktur für den Tiroler Ackerbau zu erhalten.
Die Investition in die moderne Getreideaufbereitungs-, Trocknungs- und Lageranlage 2017 war eine sehr gute Entscheidung, wie ist es dazu gekommen?
Reinhard Egger, Geschäftsführer bis 2023: Diese Investition war Grundvoraussetzung für eine professionelle Vermarktung von Speisegetreide. Zuvor wurde Getreide fast ausschließlich für Futterzwecke angebaut, ohne wirkliche Wertschöpfung. Diese ist nun durch die Vermarktung als Speisegetreide um etwa das dreifache höher. Neben den Projekten für Bäcker Ruetz sowie für die Brauereien Zillertal Bier und Starkenberger Bier hat auch die Direktvermarktung von Getreideprodukten wieder Fahrt aufgenommen. Die Anlage wurde so konzipiert, dass die Lagerkapazitäten nochmals um das Doppelte ausgebaut werden können.
Die Saatbau-Genossenschaft steht aktuell sehr gut da, mit welchen Entwicklungen kann künftig gerechnet werden, wie geht man in eine erfolgreiche Zukunft?
Wendelin Juen, LK-Fachbereichsleiter: In einer so schnelllebigen und bewegten Zeit ist die professionelle Erledigung des Tagesgeschäfts der erste und wichtigste Schritt in eine erfolgreiche Zukunft. Die Bündelung der Kräfte ist für die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe in Tirol nach wie vor, ganz im genossenschaftlichen Sinne, eine wirtschaftliche Notwendigkeit. So sind beispielsweise Dienstleistungen wie Reinigung, Trocknung, Lagerung und Aufbereitungen, die der Markt mit Nachdruck fordert, für viele kleine Betriebe nur gemeinsam zu bewerkstelligen und wirtschaftlich erfolgreich zu stemmen.
Josef Gruber, Obmann Tiroler Saatbaugenossenschaft: Nach dem Krieg war sicher die Lebensmittelversorgung im Land eine zentrale Aufgabe und Herausforderung zugleich. Durch Züchtung und Einsatz von passendem Saatgut konnte die Produktion rasch gesteigert und gute Erträge geerntet werden. Eine große Herausforderung war auch der EU-Beitritt, damit verbunden der Wegfall der öffentlichen Preisstützungen und Einzug des freien Marktes. Hervorzuheben ist, dass die Bauern und Bäuerinnen in Krisenzeiten zusammengestanden sind und privates Geld zur Überbrückung von Abgängen investiert haben.
Die Zeit um den EU-Beitritt Österreichs war auch für die kleine, regionale Genossenschaft sehr fordernd, wie konnte dies gemeistert werden?
Heinz Hausmann, Geschäftsführer außer Dienst: Durch nationale Marktordnungsmechanismen und jährlichen Preisgarantien war ein angemessenes Einkommen für die Erdäpfelbauern und –bäuerinnen sichergestellt. Mit dem Beitritt standen diese Maßnahmen klar im Widerspruch zum EU-Recht und der Speisekartoffelmarkt wurde von ausländischen Anbieter: innen überschwemmt. Die Genossenschaft geriet in wirtschaftliche Probleme, die Bauern und Bäuerinnen mussten nicht vermarktbare Ware aus den Lagern zurückholen. Dieser Situation geschuldet machte sich vielerorts die Meinung breit, dass die Saatbaugenossenschaft wohl nicht mehr weitergeführt werden kann. Der damaligen Funktionärsschaft und den Mitgliedern ist es – auch unter Einsatz von Eigenmitteln – trotzdem gelungen, die Genossenschaft zu retten. Strukturelle Maßnahmen und die Reduktion auf das Kerngeschäft waren unerlässlich, um diese wichtige Infrastruktur für den Tiroler Ackerbau zu erhalten.
Die Investition in die moderne Getreideaufbereitungs-, Trocknungs- und Lageranlage 2017 war eine sehr gute Entscheidung, wie ist es dazu gekommen?
Reinhard Egger, Geschäftsführer bis 2023: Diese Investition war Grundvoraussetzung für eine professionelle Vermarktung von Speisegetreide. Zuvor wurde Getreide fast ausschließlich für Futterzwecke angebaut, ohne wirkliche Wertschöpfung. Diese ist nun durch die Vermarktung als Speisegetreide um etwa das dreifache höher. Neben den Projekten für Bäcker Ruetz sowie für die Brauereien Zillertal Bier und Starkenberger Bier hat auch die Direktvermarktung von Getreideprodukten wieder Fahrt aufgenommen. Die Anlage wurde so konzipiert, dass die Lagerkapazitäten nochmals um das Doppelte ausgebaut werden können.
Die Saatbau-Genossenschaft steht aktuell sehr gut da, mit welchen Entwicklungen kann künftig gerechnet werden, wie geht man in eine erfolgreiche Zukunft?
Wendelin Juen, LK-Fachbereichsleiter: In einer so schnelllebigen und bewegten Zeit ist die professionelle Erledigung des Tagesgeschäfts der erste und wichtigste Schritt in eine erfolgreiche Zukunft. Die Bündelung der Kräfte ist für die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe in Tirol nach wie vor, ganz im genossenschaftlichen Sinne, eine wirtschaftliche Notwendigkeit. So sind beispielsweise Dienstleistungen wie Reinigung, Trocknung, Lagerung und Aufbereitungen, die der Markt mit Nachdruck fordert, für viele kleine Betriebe nur gemeinsam zu bewerkstelligen und wirtschaftlich erfolgreich zu stemmen.