Wolf und Weidewirtschaft
Der Sommerbeginn rückt immer näher und damit steht auch die Almsaison schon in den Startlöchern. Ein Thema, das damit in unmittelbarem Zusammenhang steht, ist der Umgang mit Großraubtieren. Geht es um die Entnahme und um ein geregeltes Wolfsmanagement, ist vor allem die rechtliche Lage äußerst komplex. Die Landwirtschaftskammer Tirol hat daher zu einer inhaltsreichen Veranstaltung geladen, bei der sowohl zur aktuellen Situation in Tirol aber auch zu rechtlichen Aspekten informiert und diskutiert wurde. „Der Umgang mit Wolf und Co. ist ein zentrales Thema, bei dem alle Kräfte gebündelt werden müssen“, betonte LK-Präsident in seinem Eingangsstatement.
Großraubtiere in Tirol
Norbert Gleirscher vom Land Tirol machte den Auftakt und gab einen Überblick über die aktuelle Lage: „Zwischen den Jahren 2009 und 2023 ist die Anzahl an genetisch nachgewiesenen Wolfsindividuen stark gestiegen. Mittlerweile gibt es mindestens 26 verschiedene Wölfe, elf davon im Bezirk Lienz.“ Die meisten Wölfe kommen aus Oberitalien, gleichzeitig werden immer mehr Tiere aus dem Osten nachgewiesen. Seit der neuen Wolfsverordnung in Tirol wurden bisher 19 Maßnahmenverordnungen zum Abschuss eines Wolfes erlassen. Vier Wölfe konnten bisher erlegt werden, einer wurde bereits tot aufgefunden. Im vergangenen Jahr wurden 540 Nutztiere gerissen oder vermisst, darunter 15 Rinder.
Wolfsmanagement aus rechtlicher Sicht
Das komplexe Geflecht von internationalem, supranationalem und nationalem Recht, das die Rückkehr des Wolfes in die alpine Kulturlandschaft mit sich bringt, hat Roland Norer von der Universität Luzern in einem neuen Buch zusammengefasst und im Rahmen der Veranstaltung präsentiert: „Zu dem Thema gab es bisher noch keine rechtliche Literatur. Das Buch ist sozusagen eine ,rechtliche Fundgrube‘ und soll als Handlungstool oder Nachschlagewerk dienen.“ Der Rechtsprofessor erklärte die Problematik, die die unterschiedliche Gesetzgebung zwischen EU- und Nicht-EU-Staaten, aber auch schon innerhalb eigener Ländergrenzen mit sich bringt, wie das etwa in Finnland, Spanien oder Griechenland der Fall ist. „Damit werden auf verhältnismäßig kleinerem Raum völlig unterschiedliche Spielräume geschaffen.“ Neben der Einzelentnahme von Problemwölfen und der Bestandsregulierung, wie sie auch schon in Schweiz praktiziert wird, wies Norer auch auf die Zonierung als Instrument des Wolfsmanagements hin: „Indem man sensible Almen, auf denen Herdenschutz nicht möglich oder nicht zumutbar ist, als Weideschutzgebiete ausweist, könnten Entnahmen schneller durchgeführt werden. Denn Almen haben einen besonderen gesellschaftlichen und ökologischen Wert und sind zugleich von Wolfsangriffen besonders bedroht. Hier muss die Interessenabwägung klar zugunsten des Almschutzes ausfallen.“ (Nähere Informationen dazu lesen Sie im untenstehenenden Interview.)
Alm- und Weideschutzgesetz in Kärnten
Seit 15. Mai gilt in Kärnten ein neues Alm- und Weideschutzgesetz. Während im Nachbarbundesland bisher laut Wolfsverordnung ein sogenannter Schadwolf eine bestimmte Anzahl von Nutztieren gerissen haben musste, eher er zum Abschuss freigegeben wurde, wird der Abschuss nun erleichtert. Gernot Gallor von der LK Kärnten erklärte die Eckpunkte des neuen Gesetzes: „Das neue Kärntner Alm- und Weideschutzgesetz ermöglicht eine Bejagung von Schadwölfen bei einer unmittelbaren Gefahr für Weidetiere bzw. bereits nach einem erfolgten Angriff. Gemeinsam mit der Risikowolfs-Verordnung bildet das Gesetz ab der heurigen Weidesaison die Grundlage für das Wolfsmanagement in Kärnten.“ Umfassende Überprüfungen kamen zu dem Ergebnis, dass Herdenschutzmaßnahmen auf Kärntens Almen nicht umsetzbar sind. Demnach gilt in ausgewiesenen Almschutzgebieten die gesetzliche Vermutung, dass andere zufriedenstellende Lösungen als jene der Vergrämung und der letalen Entnahme nicht bzw. nicht zumutbar sind. Almschutzgebiete werden in der sogenannten Almschutzgebietsverordnung für sieben Jahre erlassen, alle drei Jahre wird evaluiert.
Europäische Risskarte
Schließlich stellte Stefan Brugger vom Verein Weidezone Tirol die neue Plattform ep-map.com vor. Die sogenannte „Europäische Risskarte“ ermöglicht es, Angriffe und Risse von Großraubtieren gesammelt einzusehen. „Nicht nur Bäuerinnen und Bauern, die direkt mit der Problematik konfrontiert sind, sondern auch die Bevölkerung, sowie Gäste sollen sich mit wenigen Klicks informieren können, wo aktuell Großraubtiere unterwegs sind.“ Die Webseite zeigt nicht nur alle Details, wie u.a. die Anzahl der gerissenen, verletzten oder vermissten Tiere, sondern auch die Art des Angriffs inkl. Fotos. Gleichzeitig werden bei einer Meldung alle Nachbarn im Umkreis von 100 Kilometern gewarnt. „Jede und jeder kann sowohl einen Riss, aber auch Sichtungen unkompliziert einmelden. Die Meldungen werden präzise überprüft, damit keine Falschinformationen in Umlauf geraten“, erklärt Brugger. Die Seite wird europaweit genutzt, derzeit sind bereits knapp 27.000 Meldungen einsehbar.