20.08.2015 |
von Barbara Schießling
„Brauchen mehr Solidarität vom Tourismus!“
Die gestrige Betriebsexkursion der Landwirtschaftskammer Tirol führte die Spitzenfunktionäre in den Bezirk Kitzbühel auf den Betrieb von Familie Noichl in Jochberg.
![[jpegs.php?filename=%2Fvar%2Fwww%2Fmedia%2Fimage%2F2015.08.20%2F1440074810836950.jpg]](https://cdn.lko.at/lko3/mmedia/image//2015.08.20/1440074810836950.jpg?m=MzYzLDI0Mg%3D%3D&_=1440074910)
Die gepflegte Kulturlandschaft rund um Kitzbühel stellt für die Prominenz aus dem In- und Ausland die reinste Idylle dar, für die sie auch tief in den Geldbeutel fassen. Mit den teuersten Grundstückspreisen Österreichs, dem Hahnenkammrennen und als abwechslungsreiches Tourismusgebiet hat sich die Region international einen Namen gemacht. „Weltweit wollen die Menschen hier Urlaub machen und leben, aber die einheimischen Bauern müssen außerhalb ihrer Betriebe arbeiten gehen, damit sie den Hof erhalten können, das ist ein bizarres Ungleichgewicht“, zeigte LK-Präsident Josef Hechenberger am Untergföllhof von Familie Noichl auf.
Aufruf zu mehr Solidarität.
Neben extremen Bodenpreisen ist es für Direktvermarkter auch schwierig ihre Lebensmittel in der Region zu vertreiben. „Der Markt der Zweitwohnsitzer ist kein verlässlicher. Der Gast kauft gerne einmal ein bäuerliches Produkt aus der Region, aber dann sagt er danke und ordert wieder seine Austern von irgendwoher“, erzählt Bäuerin Evi Noichl von ihren Erfahrungen. Zwar gäbe es sehr viele Chancen die Produkte über die Gastronomie und Hotellerie zu guten Preisen abzusetzen, aber derzeit scheitere man dabei die Bereiche zusammenzuführen. „Wir wünschen uns von der Bevölkerung und dem Tourismus mehr Solidarität. Schließlich profitieren alle voneinander wenn die Symbiose funktioniert. Ohne die bäuerliche Bewirtschaftung der Kulturlandschaft gibt es weder die Vorlagen für Werbeplakate noch Skipisten“, gab Vizepräsidentin und Bezirksbäuerin Helga Brunschmid zu Bedenken.
![[jpegs.php?filename=%2Fvar%2Fwww%2Fmedia%2Fimage%2F2015.08.20%2F1440074825042617.jpg]](https://cdn.lko.at/lko3/mmedia/image//2015.08.20/1440074825042617.jpg?m=MzYzLDI0Mg%3D%3D&_=1440074910)
Mehr Unterstützung für Investitionen.
Hans und Evi Noichl führen ihren Hof „Untergföll“ im Nebenerwerb. Der Bergbauernbetrieb der Zone 4 mit fünf Hektar hat sich auf die Jungviehaufzucht mittels Kooperationsverträgen spezialisiert. In der Viehbetreuung arbeitet Hans Noichl mit einem Nachbarbetrieb zusammen. Derzeit steht für das Be-triebsführerehepaar die Frage im Raum, ob sie die Landwirtschaft aufgeben oder weiterführen, denn dafür braucht es einen neuen Stall wofür die Finanzierung jedoch unklar ist. „Unsere Betriebskalkulati-on inklusive der Förderungen ermöglicht uns jährlich eine Investitionssumme von nur knapp 2.600 Euro. Ein Stallneubau ist damit aber wirtschaftlich nicht tragbar“, erklärt Hans Noichl.
Präsident Hechenberger und Bezirkskammerobmann Josef Heim kennen das Problem der Betriebe in Extremlagen. „Das derzeitige Fördermodell ist auf Hektar ausgelegt, das heißt je mehr Fläche umso mehr Geld gibt es. Hier fehlen jedoch die Erschwernis, Arbeitsleistung und zusätzlichen Kosten welche die Bewirtschaftung von steilen Bergflächen mit sich bringen. Eine bessere Lösung für diese Betriebe ist eine unserer agrarpolitischen Herausforderungen für die kommenden Jahre“, weiß Hechenberger.
Josef Heim unterstützt dieses Vorhaben: „Eine Systemänderung, dessen Förderung sich zum Beispiel mehr auf Investitionen konzentriert, ist dringend nötig, um den Bauernfamilien wieder Zukunftsper-spektiven geben zu können“, so Heim. Ihm ist es außerdem ein wichtiges Anliegen, dass ähnlich wie in anderen Regionen Tirols die Erschließungskosten und die Kosten für Wegbauten als allgemeines Interesse betrachtet werden und zukünftig von der öffentlichen Hand getragen werden.